Naoise Dolan hat den RomCom-Trope des Hochzeitsromans für sich entdeckt

„Dann habe ich sie betrogen und belogen, wir haben uns verlobt, und ich habe sie weiter betrogen und belogen. Jetzt kann ich ihr kaum noch ins Gesicht sehen. Das ist ganz offensichtlich nicht Celines Schuld. Aber die Beziehung macht einen schlechteren Menschen aus mir. – Schlechter als was? Ich weiß es nicht. – Lästigerweise liebe ich sie aber. Immer noch.“

Der anhaltende Erfolg der Beatles, bewusstseinsverändernder Drogen und der Abnehm-Maxime FDH lässt sich darauf zurückführen, dass jede Generation das alles für sich neu entdecken möchte (vielleicht: muss), und das gilt auch für den Hochzeitsroman: Über den „schönsten Tag“ im Leben ist viel geschrieben worden, denn what’s not to love – bietet sich drumherum doch jede Menge Konfliktpotential in Form von glutäugigen Trauzeugen, nervösen Bräuten, emotionalem Hurlyburly aller Art und oft auch einem skurrilen Onkel, der aufgrund seines beherzten Alkoholkonsums und der Bereitschaft zur verbalen Eskalation nur zwangsweise eingeladen wird (und ja, ich empfehle mich hier gerne als Traumbesetzung).

Nun hat sich die irische Autorin Naoise Dolan (Jahrgang 1992) dieses Sujets angenommen, und wie es sich gehört für eine mutmaßliche „Stimme ihrer Generation“, ist hier alles anders – bzw. queer – und doch wie immer. Aber der Reihe nach: Zuerst bosselt die Pianistin Celine ihren Freund Luke dazu, seine Beziehungsunwilligkeit zugunsten einer gewissen Verbindlichkeit aufzugeben, dann verloben sie sich, obwohl Luke eine Problemstellung darin sieht, die Hose anzubehalten, wenn sich eine interessante Körperöffnung bietet. Aber andererseits, liebt Celine das Klavierspiel nicht sowie mehr als ihn?

Dolan erzählt die grundsätzlich gut komponierte Geschichte kapitelweise wechselnd aus der Sicht der Braut, der Trauzeugin, des Trauzeugen, des Bräutigams und eines Hochzeitsgasts, bevor am Ende eine unpersonalisierte, allwissende Erzählstimme übernimmt. Das Hangen und Bangen der nicht zwingend um die Sympathie der Lesenden buhlenden ProtagonistInnen ist in den besten Momenten schwung- und humorvoll, weil schlau beobachtet … in den allermeisten aber von einer überempfindlichen Bräsigkeit, die auch dadurch nicht besser wird, dass die Figuren trotz sexueller Versatilität eindimensional bleiben; daran ändern auch die verschiedenen Erzählperspektiven, die andere Blickwinkel auf dieses und jenes ermöglichen, wenig.

Die Queerness von Celine und Luke ist leider keine attraktive Sonderlackierung, sondern ein Ralleystreifen; das mag als begrüßenswertes Statement dafür gewertet werden, welche Selbstverständlichkeit das Thema heute hat, wirkt auf mich aber wie ein Holzhammerelement. Das gilt auch für die Schwäne, die im Roman zumeist kristallgläsern auftreten, bevor sie als Beweis dafür ins Feld geführt werden, dass nicht immer alles zusammenbleibt, was sich einmal zusammengehörig fühlte; wenn dann in diesem Zusammenhang auch noch die Bedeutung von Kintsugi zitiert wird, wirkt dies endgültig so, als würde Dolan uns mit einem Megaphon ins Ohr brüllen: „Got it, babes?“

Nachdem mich die ersten Seiten noch bezauberten, musste ich mich spätestens ab der Hälfte durch die 301 Seiten mühen, die Anke Caroline Burger ins Deutsche übertragen hat (deren Arbeit ich nicht daran messen möchte, dass sie den vermutlich auch in Oer-Erkenschwick bekannten „Fuckboy“ in einen „Fickboy“ halbeindeutschte; an anderer Stelle begeisterte sie mich dafür beispielsweise so: „Celine machte das, worin sie gut war – Worte zu Ohrfeigen zusammenzufügen –, und stellte erst hinterher fest, dass sie zu fest zugeschlagen oder das falsche Ohr gefeigt hatte.“). Was sehr schade ist, da ich die Grundidee des Romans, der sich noch dazu potenziell lesen könnte wie eine Kollaboration zwischen Sally Rooney und Nancy Mitford, ausgesprochen attraktiv finde. So bleibt mir leider nur, am Ende Celine zu zitieren, die auf die Frage ihrer Schwester, ob sie wissen möchte, welcher Eskapade sich ihr Luke statt der Verlobungsfeier hingegeben hat, antwortet: „Man braucht nicht immer die ganze Geschichte zu kennen.“

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Ich habe dieses Buch selbst gekauft; es handelt sich bei dieser Rezension also nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.

Naoise Dolan: DAS GLÜCKLICHE PAAR. Aus dem Englischen von Anke Caroline Burger. Rowohlt Hundert Augen, 2024