Damilare Kuku hat die nigerianische Antwort auf SEX AND THE CITY geschrieben – und noch viel mehr!
„Eines Abends wirst du in aller Ruhe ein Messer an den Penis deines Ehemannes halten und versprechen, ihn abzuschneiden. Das wird ihm solche Angst einjagen, dass er am nächsten Tag Mitglieder seiner Familie zu einer Besprechung bei euch zu Hause zusammenrufen wird. Von deiner Familie wird er niemanden einladen, aber das wird dir egal sein. Du wirst sie nicht brauchen.“
Ein Leben ohne den Indiebookday ist möglich, aber nicht erstrebenswert – und obwohl der 22. März 2025 ein Tag war, an dem ich mir nur die Decke über den Kopf ziehen wollte, habe ich das Haus verlassen, um diesen inoffiziellen Feiertag zu würdigen. Den Indiebookday gibt es seit 2013; es ist eine Aktion des mairisch Verlag und lenkt die Aufmerksamkeit auf Bücher, die in unabhängigen Verlagen erscheinen.
Also: Ab in den unabhängigen Buchhandel! Dort leuchtete mir der Umschlag von FAST ALLE MÄNNER IN LAGOS SIND VERRÜCKT entgegen, und obwohl ich eigentlich kein Fan von Kurzgeschichten bin, hat mich der erste – und oben zitierte – Absatz sofort neugierig gemacht.
Eine Entdeckung aus Westafrika, die Aufmerksamkeit verdient
Die nigerianische Autorin Damilare Kuku erzählt in zwölf unabhängigen Geschichten von Frauen wie Isi, die ein unmoralisches Angebot bekommt und erst dadurch versteht, was für ein Lappen ihr Ehemann ist; von Evelyne, die zu ihrem untreuen Pastorengatten hält, weil es sich (und sie sich) verbietet, an etwas anderes als seine Unschuld zu glauben; dann ist da Jide, die sich die Frage stellen muss, ob der Mann an ihrer Seite es wirklich wert ist, seine schreckliche Mutter zu ertragen, und neben vielen anderen auch Orode, deren unerfüllter Kinderwunsch ihr Leben in Stücke zu schlagen droht.
Damilare Kuku erzählt schwungvoll von kleinen und großen Dramen, von Frauen, die hoffen, und Männern, die hoffnungslos sind (und das zwischendurch auch Texte aus ihrer Sicht geschrieben sind, bestätigt das nur). Die Frauen kommen aus unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten – die einen haben im Ausland studiert, die anderen das Land nie verlassen, die Damen der „Gilde tugendhafter Gattinnen“ sind stinkreich, während die bereits erwähnte Isi hart arbeiten muss, um ihre Familie zu ernähren. Was sie verbindet? Der Wunsch nach MEHR, das Wissen um den eigenen Wert, auch wenn sie sich das in manchen Fällen erst aneignen müssen … und noch dazu: große Lust auf Sex! Nun ist es vermutlich komplett unpassend, wenn ich alter rosa Mann hier das Wort „saftig“ verwende, aber es fällt mir tatsächlich nichts anderes ein, um zu beschreiben, mit wie viel Vergnügen Damilare Kuku die Körper und den Körpereinsatz ihrer Protagonistinnen preist.
Take SEX AND THE CITY, but make it cleverer
Es liegt daher nah, FAST ALLE MÄNNER IN LAGOS SIND VERRÜCKT als nigerianische Variante von „Sex and the City“ zu feiern, doch das wäre zu kurz gesprungen – denn Damilare Kuku erzählt zwar von der Suche nach Mr. Right, aber vor allem davon, wie Frauen lernen, ihren eigenen Weg zu gehen, auf dem Männer ein emotionaler Anker und gut durchbluteter Zeitvertreib sein können, aber nicht zwingend (mehr) sein müssen.
Und so ist es sicher kein Zufall, dass dieser mitreißende Reigen, der seinen Glanz auch in den unschönen Momenten nicht ganz verliert, von zwei Geschichten gerahmt wird, in denen es darum geht, wie Frauen sich selbst behaupten: gegen einen Nichtsnutz in DAS WAR’S, CUCKOLD und gegen einen Vergewaltiger, der einer Frau weit mehr genommen hat als ihre „Unschuld“. Wenn Osa am Ende von UNABHÄNGIGKEITSTAG an ein Mikrofon tritt und dafür sorgt, dass die Scham die Seite wechselt, möchte man ihr zujubeln – und blättert sofort zurück, um hier, da und dort noch einmal in eine der anderen Geschichte hineinzulesen.
In Unkenntnis des Originals kann ich die Übersetzung von Henriette Zeltner-Shane nicht beurteilen, sie macht aber einen hervorragenden Eindruck – und interessanterweise klingt die deutsche Fassung für mich auf angenehme Art auch nicht nach britischem oder amerikanischen Englisch, sondern lässt mich an die Stimme der Hörbuchsprecherin der englischen Ausgabe denken, in die ich hineingehört habe.
Wenn man dem Klappentext glaubt, ist FAST ALLE MÄNNER IN LAGOS SIND VERRÜCKT in Nigeria der bestverkaufte Belletristiktitel gewesen – was sicher auch daran liegt, dass die Autorin trotz ihres gleichbleibendem Erzählstils jede ihrer Protagonistinnen auf eigene Art modelliert. Sind der Autorin im Gegensatz dazu die Männer vielleicht ein bisschen zu klischeehaft geraten? Vielleicht … und vielleicht nicht. Denn alles, worüber Kuku schreibt, kommt uns bekannt vor aus der Erzählung von Freundinnen oder eigenen Erfahrungen.
Den Indiebookday kann man 365 Mal im Jahr feiern
Und darum: Es lohnt sehr, Damilare Kukus Buch zu entdecken. 233 Seiten (nebst Nachwort und Glossar der durch den Text gesprenkelten Wörter aus dem nigerianischen Pidgin-Englisch und den Yoruba-Sprachen) kurzweiliges, aber durch viele starke Momente auch nachhallendes Lesevergnügen.
Und nicht vergessen: Jeder Tag kann Indiebookday sein!
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Ich habe dieses Buch selbst im niedergelassenen und unabhängigen Buchhandel gekauft. Bei meiner Rezension handelt es sich nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.
Damilare Kuku: FAST ALLE MÄNNER IN LAGOS SIND VERRÜCKT. Aus dem Englischen von Henriette Zeitner-Shane. Peter Hammer Verlag, 2025
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