Holly Gramazio bürstet das Genre „Singlefrau sucht Mr. Right“ gegen den Strich – und schenkt uns so ein schlaues Lesevergnügen mit Schwung und Humor

„Es gibt einen Ehemann, dessen Einsatz für die Redefreiheit ermüdend ist. Ein Ehemann geht immer noch viermal pro Woche mit seiner Ex joggen. […] Einige der Ehemänner machen Geräusche. Einer legt ihr die Hand auf die Stirn, als sie im Bett liegt, spreizt die Finger und übt Druck aus. Und es ist, als würden alle ihre ungeordneten Gedanken zur Ruhe kommen. Als er geht, vermisst sie es und versucht, es dem nächsten Mann zu erklären, aber der kriegt das nicht hin. […] Einer von ihnen balanciert beim Zähneputzen auf einem Bein, und sie findet nie heraus, warum. […] Sie mag die Ehemänner bei kaltem Wetter lieber. Sie hat es gerne gemütlich.“

Man würde vielleicht nicht sofort auf die Idee kommen, aber ich bin perfekt geeignet, um in einer Barbara-Cartland-Verfilmung die leicht in die Jahre gekommene Tante zu spielen, die Törtchen isst, in die Hände klatscht, wenn etwas Geistreiches gesagt wird, und dabei „Köstlich, einfach köstlich“ ausruft.

Genau dieses Gefühl hatte ich, während ich mich mit größtem Vergnügen in EHEMÄNNER fallen ließ: Dieser Debütroman gehört mit Sicherheit zu den besten Unterhaltungsstoffen, die ich in den letzten Jahren gelesen habe – denn Holly Gramazio ist jenseits allem Ringen um das, was man gemeinhin als „Anspruch“ beschreibt, schamlos auf das Entertainment ihrer Leserschaft ausgerichtet, sie schreibt auf entspannte Art mitreißend und begeistert mit einer Geschichte, die mehr als einen doppelten Boden hat. Ach, und noch dazu einen magischen Dachboden!

Worum geht’s? Lauren lebt in London, ist zufriedener Single (auch wenn ihr schwant, dass dies das Adjektiv ist, das von ihr erwartet wird) und kommt gerade vom Junggesellinnenabschied ihrer besten Freundin nach Hause, als sie dort liebevoll von einem Unbekannten begrüßt wird – der noch dazu behauptet, ihr Mann zu sein. Vollkommen verrückt, aber: Schockschwerenot, die Fotos, die plötzlich auf ihrem Handy gespeichert sind, beweisen das sogar!

Verliert Lauren den Verstand? Nö! Stattdessen findet sie heraus, dass dieser erste Ehemann vom Dachboden gekommen ist – und wenn sie ihn (und alle seine Nachfolger) dazu bringen kann, über die schmale Leiter nach oben zu klettern, steigt nach einem Surren und Knistern ein neuer zu ihr hinunter. Immer ist sie bereits seit einiger Zeit mit ihm verheiratet, mal offensichtlich glücklich, mal vielleicht nicht ganz so glücklich … und irgendwann wird auf diesem Weg doch sicher der Richtige zu ihr finden?

Es liegt nahe, EHEMÄNNER als Kommentar auf die „Generation Tinder“ und das moderne Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit zu lesen – denn so schnell man in einer App ein Foto (und die damit verbundene Person und Option) nach links oder rechts wischt, so spontan kann Lauren auch die Männer wechseln und die Lebensentwürfe, die diese mit sich bringen. „Sie schickt den Ehemann zurück und kommt sich dabei wie eine Kämpferin für Emanzipation und Gerechtigkeit vor“, heißt es an einer Stelle sehr zufrieden, aber andere Männer müssen auch einfach nur gehen, weil ihr eine Kleinigkeit nicht passt an ihnen. Und manchmal landet Lauren so auch in einem Lebensentwurf, in dem nicht nur der Ehemann zu wünschen übrig lässt: „Sie mag die neuen Versionen von sich selbst nicht immer, aber sie helfen ihr, die Grenzen ihrer Persönlichkeit zu verstehen.“

Ohne erhobenen Zeigefinger stellt Gramazio die altbekannte, aber hier in einem neuen Kontext gestellt Frage, ob wir immer wissen, was wir suchen. Sind Anspruchshaltung – meiner Meinung nach ja sowieso eine der größten Geißel der Menschheit – und das allgegenwärtige „Höher, schneller, besser“ unserer Zeit möglicherweise die größten Stolpersteine auf dem Weg zum Glück? Und was soll das überhaupt sein, „das Glück“; ist das möglicherweise vielleicht auch eine neue beste Freundin, die es nur gibt, weil wir gleichzeitig nicht ganz shiny-happy-hurray in unserer Beziehung sind?

Gramazio würzt die Geschichte mit jeder Menge Slapstick, lässt uns mitfiebern, zwischendurch auch traurig sein und zieht Asse aus dem Ärmel, mit denen ich wirklich nicht gerechnet hätte. Was mir besonders gut gefällt ist, dass die Autorin dabei nicht von uns verlangt, Lauren duchgehend sympathisch zu finden – konservative Gemüter könnten sich gar an manchen Handlungselementen stören, die in einem klassischen RomCom-Film keinen Platz finden würden. Gerade deswegen hat mir EHEMÄNNER gefallen, und so rasant schnell, wie es über 200 Mal auf dem Dachboden knistert, bin ich auch durch die 426 augenfreundlich gesetzten (und von Babette Schröder fließend übersetzten) Seiten geflogen.

Ob sich der Verlag mit der psychedelischen Einbandgestaltung, die ich herrlich groovy finde, einen Gefallen getan hat? Ich wage es zu bezweifeln, denn EHEMÄNNER ist viel warmherziger und … Achtung, es folgt eine gewagte Aussage … bei aller Modernität auch irgendwie herrlich altmodisch. Als hätte der frühe David Safier sich bei der Drehbuchfassung für einen Bridget-Jones-Stoff ein paar Freiheiten genommen … oder so.

Und am Ende? Kommt alles anders, als Lauren erwartet hat. Und ich sowieso. Deswegen klappte ich das Buch zu, rief laut „Köstlich, einfach köstlich!“ – und empfehle allen, die einfach gut unterhalten werden möchten, dieses großartige Lesevergnügen.

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Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten; es handelt sich bei dieser Rezension trotzdem nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.

Holly Gramazio: EHEMÄNNER. Aus dem Englischen von Babette Schröder. dtv, 2024