Eva Lohmann hat einen Roman geschrieben, der zu kurz ist – mich aber doch wohlig befriedigt zurücklässt

„Ich fühle mich nicht schlecht, weil ich mit deinem Mann schlafe. Dafür ist das, was wir tun, zu normal, zu alltäglich. Eine Affäre, was ist das schon, heutzutage. Eine kurze, kleine Alltagsflucht, moralisch vielleicht nicht ganz einwandfrei. Aber dass ich mit meiner Anwesenheit wie eine Krücke eure unglückliche Beziehung stütze, das macht mir zu schaffen. Ohne mich hätte er dich vielleicht schon verlassen. Oder du ihn. Ohne mich wärt da nur ihr beide. Und dann müsstet ihr euch eingestehen, dass euch nichts mehr zusammenhält.“

Ich bin spät dran – während ich das HC des 2023 veröffentlichten Romans DAS LEISE PLATZEN UNSERER TRÄUME las, liegt schon das TB in den Läden, und dem Buchhandel wird bereits das neue Buch von Eva Lohmann angeboten. (Und wie so viele andere Rezensierende vor mir kann auch ich nicht über die Geschichte sprechen, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. Daher eine SPOILERWARNUNG … und der Hinweis für alle, die den Roman noch nicht kennen: Es lohnt, ihn zu lesen!)

Hellen, die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, die sich als Influencerin mehr schlecht als recht über (dem Großstadt-)Wasser hält, und Jule, die in einem frisch renovierten Haus auf dem Land lebt und bei Bedarf als Köchin für ein Veranstaltungshaus arbeitet, sind sehr unterschiedlich. Was sie verbindet? Jules Mann David – der hat seit einiger Zeit eine Affäre mit Hellen. Und die weiß darum sehr viel über Jule; so viel, dass sie immer neugieriger wird und ein Treffen herbeiführt …

DAS LEISE PLATZEN UNSERER TRÄUME nimmt es auf 216 augenfreundlich gesetzten Seiten ernst damit, das Titelversprechen einzulösen, denn obwohl sie noch hübsche Schleifchen drumherum schlingen können, stehen die beiden Frauen vor den Scherben dessen, was sie sich ausgemalt haben: Jule leidet unter ihrem unerfüllten Kinderwunsch, fühlt sich einsam auf dem Land und wird mit den „Dorfmenschen“ ebenso wenig warm wie die mit ihr; Hellen hadert derweil mit ihrem aus verschiedenen Gründen anstrengenden Leben – und nun fängt auch noch der bisher erfreulich pflegeleichte Liebhaber an, mehr Raum einzunehmen, als sie ihm eigentlich geben möchte. David hat sowieso nicht verstanden, dass ein guter Seitensprung der einfachen Gleichung „Hose runter = Klappe zu“ folgen sollte, und (be)nutzt Hellen gleichermaßen für Beziehungsauf- und Libido-Abarbeitung.

Überhaupt, dieser David: ein solcher Lappen! Man möchte ihm sein Selbstmitleid eigentlich links und rechts in die Fresse klatschen, und zumindest mir fiel es schwer zu verstehen, was die beiden Frauen irgendwann an ihm fanden. Gleichzeitig setzt Lohmann ihn ausgesprochen geschickt ein, denn während sie seine Sympathiewerte immer mehr nach unten dreht, wächst uns Hellen trotz ihrer Selbstgefälligkeit, mit der sie nie abgeschickte Briefe an Jule schreibt, und Übergriffigkeit, als sie das Kennenlernen provoziert, ein bisschen mehr ans Herz.

Nach der Hälfte der Geschichte hatte ich zwei Vermutungen, was noch geschehen würde: Tatsächlich wird Hellen von David schwanger (das war irgendwie klar), Jule kommt aber nicht mit ihrem Chef zusammen (was auch besser so ist). Stattdessen brachialt Eva Lohmann eine Entwicklung herbei, die mich zunächst den Kopf schütteln ließ, denn am Ende werden die beiden Frauen Freundinnen.

Realistisch ist das vermutlich nicht, nachvollziehbar auch nur mit sehr viel gutem Willen. Aber … es funktioniert für mich. Weil das Glücksversprechen von „Am Ende wartet die heile Welt“, das ich als Leser von geringem Verstand sehr zu schätzen weiß, nichts mit Stereotypen zu tun haben muss, sondern auch bedeuten kann, dass eine Erwartungshaltung gegen den Strich gebürstet wird. Und so wundert es mich auch nicht, dass ich schon wenige Tage nach dem Lesen des Buchs kein leises „Wtf“ mehr im Kopf hatte, wenn ich an dieses steile Dramaturgie-Ausrufezeichen dachte (oder an den ach so praktischen Handschuh voller Geld, der zwischendurch mal eine Rolle spielt), sondern ein Wohlgefühl, weil ich die Figuren als authentisch in Erinnerung habe.

Zu einer der besten Stellen gehört darum vielleicht, wenn Jule und David – fast – über ihre Gefühle sprechen und – fast – darüber, sich zu trennen. Als Leser möchte man sie anbrüllen, dass sie endlich beide den Arsch in der Hose haben sollen, sich die Wahrheit zu sagen; aber, und auch davon handelt Lohmanns Roman: Wahrheit ist, anders als ein wissenschaftlicher Beweis, oft für jeden etwas anderes.

Ist DAS LEISE PLATZEN UNSERER TRÄUME ein ausgereiftes, gar wichtiges Buch, an das man sich noch lange nachhallend erinnern wird? Für mein Empfinden nicht. Aber es ist perfekte Wochenendunterhaltung, die man (und nein, ich sehe hier keinen Widerspruch) in guter – weil freundlicher – Erinnerung haben kann. Umso mehr freue ich mich auf den nächsten Roman der Autorin, WIE DU MICH ANSIEHST.

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Ich habe dieses Buch von einer Freundin geschenkt bekommen, die beim Verlag arbeitet; es handelt sich bei dieser Rezension also nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.

Eva Lohmann: DAS LEISE PLATZEN UNSERER TRÄUME. Eisele Verlag, 2023