Vielleicht manchmal zu rasant durch die Handlung preschend, aber auf jeden Fall ein interessantes Lesevergnügen
„Angriffslustig, vehement, renitent, widerspenstig, anstrengend sind Adjektive, die mir auf die Stirn gestempelt werden, wenn ich in Gesprächen an Wohnzimmertischen oder in Büroküchen normalerweise die fehlende Gleichberechtigung anspreche. Ich spreche Fakten an, die keiner hören will, mit denen keiner arbeiten will. Vielleicht zücke ich aber dabei einfach zu schnell die Waffe, so dass sich die Menschen bedroht fühlen?“
Na endlich! Als der Chauvi-Chef an ihrer Reportage über eine queere Priesterin herumredigiert, donnert Redakteurin Klara ihm entgegen, was schon viel zu lange in ihr brodelt. Ihre Kolleginnen, die „Girlpower-Slogans auf den Shirts tragen, aber die Girlpower sowohl in Bangladesch, im Sweatshop, als auch hier im Konferenzraum vergessen“, und ihr Freund sind ihr keine Hilfe, als sie beurlaubt wird. Zuspruch bekommt Klara von ganz anderer Seite: Eine gewisse Maria Magdalena lädt sie in eine Chatgruppe ein, in der sich allerlei Frauen tummeln, denen auch Unrecht getan wurde … und zwar von den Evangelisten.
BIBLE BAD ASS ist laut Rückseitentext „eine Abrechnung mit den Lügen der Kirchenväter. Ein hartes, smartes und durch und durch popkulturelles Debüt“. Edith Löhle schreibt mit so viel Schwung, dass es ein Vergnügen ist, sich 282 Seiten lang mitreißen zu lassen – obwohl die Unterdrückung der Frau im Christentum, die immer noch existierende Ungleichbehandlung und Männer, die (möglicherweise) ernsthaft die Worte „Erdbeerwoche“ und „eklig“ verwenden, wenn es um Menstruation geht, natürlich alles andere als heitere Themen sind. Aber während Klara erfährt, was es mit Lilith auf sich hat, der ersten Frau von Adam, was vor den Toren von Sodom wirklich passierte mit Edith, der Frau des Lot, und warum auch die Ahninnen der ganz sicher nicht jungfräulichen „Gottesmutter“ Maria echte Bad Asses waren, verändert sich etwas für sie: Die Frau, die zu Beginn noch darüber spricht, dass sie eine geladene Waffe im Schritt hat, deren Rückstoß sie einmal im Monat quält, wandelt sich zunehmend von der allzeit auf Angriff gepolten Saula zur in Liebe und Mitgefühl schwelgenden Paula.
BIBLE BAD ASS ist ein Vergnügen, aber ob es eins ist, das über den Schwung der Erzählerin hinaus geht – und die Ausstattungsorgie mit stukturbezogenem Pappband, Lesebändchen, Farbschnitt und bedrucktem Vorsatz –, mag ich Leser von geringem Verstand nicht eindeutig beurteilen. Was Klara in ihrer feministischen Bibelheldinnen-Chatgruppe erfährt, war für mich nicht neu und eher etwas kurz gesprungen:
Gerade wenn sie die Erstarrung von Lots Frau zur Salzsäule umdeutet, wäre es schön gewesen, hier ein wenig zu verweilen, statt den Punkt abzuhaken und zum nächsten „Wow, so war das alles?“ weiter zu hasten. Klaras Verhältnis zu Freund und „Schwiegermutter“ wirkt auf mich zu konstruiert, beide sind vor allem Stichwortgebende. Und wenn Klara dann nicht nur schwurbelt, dass der Brand von Notre Dame möglicherweise ein (patriarchaler) Anschlag auf ein spirituelles Kraftzentrum gewesen sein könnte, sondern auch moniert, dass reiche französische Familien in kürzester Zeit Millionen für den Wiederaufbau spenden, statt mit dem Geld das Leid von Kriegsopfern zu lindern, ist das sicher gut gemeint, meiner Meinung nach aber trotz folgerichtiger Charakterzeichnung nicht gut gemacht.
Trotzdem begeistern mich Löhles Erzählfreude, die saftige Energie, die durch das Buch pulsiert, viele Formulierungen und Momente so, dass ich mein latentes „Ach, ich weiß nicht“ vergnügt vergesse und beide Daumen steil nach oben reiße. Saulus schrieb an die Korinther, dass die Frau zu schweigen habe in der Kirche; ich hingegen plädiere dafür, dass BIBLE BAD ASS den Weg vorbei an den „derdiedas Söder*innen“ dieser Welt in den progressiven Religionsunterricht findet (oder was heute angeboten wird in der Schule), denn was die Autorin zu sagen hat, ist die beste Diskussions-Grundlage für ein Weltbild, das die christliche Überlieferung nicht leugnet, aber vielleicht näher an das heranführt, was sie ursprünglich einmal hätte werden sollen.
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Ich habe dieses Buch selbst gekauft; es handelt sich bei dieser Rezension also nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.
Edith Löhle: BIBLE BAD ASS. Leykam Verlag, 2024
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