Taylor Jenkins Reid ist die Königin der auf Hochglanz polierten Eskapismus-Literatur
„In der Ecke weinten Models, auf der Treppe rauchten Popstars Gras. Schriftsteller stritten im Esszimmer, Popstars hatten Sex im Bad, und auf dem Sofa schliefen Studiomanager. Surfer kotzen auf den Rasen. Schauspieler warfen Weingläser wie Footballs. Eins der Kids aus ‚Familienbande‘ lag mitten im heruntergefallenen Kristalllüster, sang ‚Heart of Glass‘ und starrte auf das Loch in der Decke.“
Die einen wünschen sich Diktatoren zurück, weil sie darin eine ihren Wünschen entsprechende Regierungsform vermuten (wie dumm kann man sein!), ich indes denke lieber an alte Zeiten, als ich hemmungslos in den Romanen von Barbara Taylor Bradford, Judith Katz und Jackie Collins versunken bin … und ahne, dass einige von ihnen nicht gut gealtert sind. Umso wunderbarer, dass ich mich nun in dieses herrliche Glitzi-Blitzi-Lese-Schaumbad fallen lassen konnte, das zwar in den 50er und 80er Jahren spielt, aber in modernen Farben leuchtet.
Was vor vielen Jahren mit einem kleinen Fest für FreundInnen begann, ist inzwischen DAS Highlight im Partyjahr – denn wenn das surfende Supermodel Nina Riva die Tür zu ihrem Anwesen in Malibu öffnet, strömen die Reichen und Schönen herbei, feiern mit Menschen aus dem Ort und den FreundInnen der Riva-Geschwister Jay, Hud und Kit. Schon im Prolog erfahren wir, dass die Sause am 27. August 1983 in einem Flammeninferno enden wird … und verfolgen atemlos auf 425 Seiten mit, wie es dazu kommt. Und natürlich sind wir herzlich eingeladen, vom Logenplatz aus beobachten zu können, welche Verletzungen die vier Rivas hinter ihren strahlenden California-Masken verbergen.
Nachdem sich meine Fanboy-Begeisterung für Taylor Jenkins Reid nach DIE SIEBEN MÄNNER DER EVELYN HUGO (große Liebe) und DAISY JONES & THE SIX (noch größere Liebe!) durch CARRIE SOTO IS BACK etwas abkühlte, habe ich MALIBU RISING fast ein Jahr bei mir liegen lassen, bevor ich es vom Stapel nahm … und mich innerhalb weniger Seiten hemmungslos in die Geschichte verliebt habe. Natürlich ist all das, was wir hier angeboten bekommen, nicht originell – die tragische Liebesgeschichte der Eltern, die Fallhöhe, die sich im nach außen so perfekten Leben der erwachsenen Kinder aufgetan hat, das ist alles erwartbar. Aber, und das ist wirklich große Unterhaltungskunst: Jenkins Reid schreibt so süffig, dass es fast unmöglich scheint, eine Pause zu machen, um ein Glas Champagner zu trinken, den Lieblingspudding oder ein Stück perfekt gereiften Käse zu essen – der Verwöhnfaktor indes ist der gleiche.
Der fließenden Übersetzung von Babette Schröder hätte ich an wenigen Stellen eine strengere Redaktion gewünscht. Was mir dagegen uneingeschränkt gefällt: Jenkins Reid weiß, welche Knöpfe sie wann drücken muss, setzt sich aber auch über ungeschriebene Dramaturgieregeln hinweg. So zaubert sie zum Ende hin jede Menge Figuren aus dem Hut, die vorher mit keiner Silbe erwähnt wurden, aber eine Rolle spielen bei den immer mehr entgleisenden Bacchanalien. Und obwohl es kein klassisches Happy End gibt (denn, wir erinnern uns, zuletzt wütet das Feuer), möchte man den Haupt- und vielen Nebenfiguren abschließend zujubeln, ganz egal, ob sie wegen Sex in der Öffentlichkeit verhaftet werden, sich mutig Dinge eingestehen oder in ein Flugzeug steigen.
Die Zeiten, in denen wir leben, haben mehr Ecken und Kanten, als uns lieb ist – umso wichtiger, und umso wunderbarer, dass es weiche Kissen gibt wie MALIBU RISING.
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Ich habe dieses Buch selbst gekauft; es handelt sich bei dieser Rezension also nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.
Taylor Jenkins Reid: MALIBU RISING. Aus dem Englischen von Babette Schröder. Ullstein Taschenbuch Verlag, 2023
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