Nach meines Jahreshighlight „Kochen im falschen Jahrhundert“ war ich neugierig auf ein früheres Buch von Teresa Präauer
„Ganz sicher heißt hier keiner Johnny und hätte auch dort auf dem Land keiner Johnny geheißen, aber ich mache mit diesem Namen jetzt einen Anfang in der Stadt. Johnny, der Stille, das ist zwar nicht die schönste aller Rollen, aber besser als gar keinen Namen zu haben und gar kein Gesicht. Es würde auch zu Jean passen, dass ein blasser Bewunderer mit einer Mappe voll mit verschenkten Fischbildern hinter ihm herläuft.“
Und da ist er nun also, in der zweitgrößten Stadt des Landes, der Junge aus der Provinz, der Fische malend um seinen Fixstern kreist – um Jean, der gerade noch im gemeinsamen Heimatdorf einen Salto vom Dreimeterbrett sprang, um alle zu beeindrucken, und damit nun an der Kunstakademie direkt weiter macht (ohne Sprungturm, dafür mit einer irren Installationsperformance, die dummerweise niemand filmt).
Johnny träumt davon, der Freund dieser Naturgewalt zu sein, der übrigens nicht einmal Jean heißt, dafür aber aussieht wie das berühmte Selbstporträt von Gustave Courbet – und in seinen Träumen ist Johnny das lange, bevor sie wirklich zueinander finden, Pastis trinken, Frauen mit französischen Namen hinterherlaufen und davor, danach, dabei über Kunst reden. Mehr noch: Die Kunst spricht zu ihnen, denn neben Dalí geben sich auch andere Künstler die Klinke in die Hand, während zwei Nackedei-Magazin-Modelle (nicht nur sich) ausziehen, um den dreidimensionalen Raum zu erobern …
Klingt verrückt? Ist es auch! Und dabei im gleichen Maße schwebend leicht, faszinierend, absurd und … ja, manchmal durchaus nervig. Teresa Präauer, die mich im letzten Jahr so begeistert hat mit KOCHEN IM FALSCHEN JAHRHUNDERT, hat zuvor mit JOHNNY UND JEAN ein Buch vorgelegt, das vieles ist und doch auch wieder nicht: eine Coming-of-Age-Geschichte, in der Johnny am Ende noch fern davon scheint, angekommen zu sein; einen Kunstroman, der dazu einlädt, auf jeder dritten Seite einen Namen zu googeln oder ein bestimmtes Bild. Präauer schlägt dabei den Bogen von Cranach über Max Beckmann nebst Ehefrau Quappi bis hin zu einem „Jungen im Fisch“, den zumindest ich ganz sicher nicht mit David Hockney in Verbindung gebracht hätte.
JOHNNY UND JEAN ist aber vor allem auch ein Werk, das ebenso gut Impressionismus wie Expressionismus sein kann, dabei aber immer wieder sehr real wird oder wirkt, wenn z.B. die Launen einer Galeristin sowie des Kunstbetriebs vorgeführt werden und sich die Expertin Mary Schoenblum zu Wort meldet, die allerdings (und durchaus zu meiner Überraschung) frei erfunden ist.
Teresa Präauer spielt mit allem auf diesen 208 Seiten: Mit ihren Figuren, Realität(en), mit der Kunstgeschichte, mit uns Lesenden – und auch mit dem, was man für die Handlung halten könnte. Nicht einmal dem Geschlecht ihrer Figuren ist möglicherweise zu trauen, beginnt der Roman doch mit den Worten „Ich stelle mir vor, wie ich als junger Bub auf dem Land lebe“ – und Johnny, der dies sagt, denkt später in einem Moment der Bedrängung, er müsse sich „zwischen den Beinen rasieren“, nur um sogleich festzuhalten: „Nein, Achtung, ich bin ein junger Mann. Niemals sagt ein Mann zu seinem Penis oder seinen Hoden: zwischen den Beinen.“ Oder um den Text auf der Rückseite des wunderbar gestalteten Schutzumschlags zu zitieren: „Jean, du wolltest mir etwas vorlügen?“ – „Nicht lügen, Johnny, ich wollte die Ereignisse des Abends ein bisschen auffrisieren.“
Zugegeben, am Ende schwirrten ein paar Fragezeichen um den Kopf dieses Lesers von geringem Verstand, der beim Lesen immer wieder das Gefühl hatte, verarscht worden zu sein – und gleichzeitig reich beschenkt. Besser geht es manchmal nicht.
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Ich habe dieses Buch selbst gekauft; es handelt sich bei dieser Rezension also nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.
Teresa Präauer: JOHNNY UND JEAN. Wallstein Verlag, 2014
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