Emma Straub erfindet das Rad nicht neu, unterhält aber zuverlässig

„Franny warf Jim über den Tisch hinweg einen Blick zu. Sie war ein wenig verblüfft, aber auch erfreut. ‚Danke‘, sagte sie und faltete die Hände im Schoß. Wäre sie gläubig gewesen, hätte sie wohl ein Gebet für ihre Kinder gesprochen, in denen zwei wunderbare Seelen wohnten, doch sie war Köchin, weshalb sie ihnen stattdessen das Meersalz reichte. ‚Hier, das gehört noch obendrauf.‘“

Seit einigen Jahren verbringe ich eine Spätsommerwoche in Italien. Dort, im Haus von Freunden hoch über dem Gardasee, steht ein Bücherregal, in dem sich sammelt, was Gäste dort im Lauf der Zeit zurückgelassen haben. In diesem bunten Sammelsurium – dessen verbindendes Element sein könnte, dass die intellektuelle Herausforderung zumeist bei Raumtemperatur liegt – habe ich vor elf Monaten und drei Wochen diesen Roman von Emma Straub entdeckt, mir ausleihen dürfen … und dann in meinem Wohnzimmerbuchstapel so zuverlässig vergessen wie die stets übrigbleibende letzte Packung der italienischen Cracker, ohne die ein Tag am Pool absolut undenkbar wäre (und die zuhause nicht schmecken wollen).

EIN SOMMER WIE KEIN ANDERER ist, auch wenn der Titel etwas anderes behauptet, ein Roman wie viele andere: Auf 330 Seiten arbeitet sich Straub schwungvoll durch die Versatzstücke eines Romans, in dem der Handlungsort austauschbar ist, weil er nur die attraktive Kulisse bietet für allerlei zwischenmenschliche Verwerfungen. In diesem Fall begleiten wir 14 Kapitel und Tage lang das New Yorker Ehepaar Franny und Jim Post, die im Haus einer Bekannten auf Mallorca Urlaub machen wollen. Mit von der Partie sind die 18-jährige Sylvia und der erwachsene Bobby, der mit seiner Langzeitfreundin aus Miami angereist ist, sowie Frannys BFF Charles und dessen Ehemann Lawrence, die hoffen, bald ein Kind adoptieren zu können. Bobby dagegen wartet auf eine günstige Gelegenheit, seine Eltern zu bitten, ihn aus einer finanziellen Misere zu retten, während Mauerblümchen Sylvia vergessen möchte, dass sie auf der letzten Party ihrer High-School-Zeit versehentlich mit zu vielen – um nicht zu sagen: allen! – Jungs geknutscht hat, was via Social Media zum Skandal ausartete. Und ihre Eltern? Jim ist jüngst mit einer blutjungen Redaktionsassistentin fremdgegangen, was nicht nur seine Karriere ruiniert hat, sondern möglicherweise auch seine Ehe. Oder wird die zur Überspannung neigende Franny ihm verzeihen können?

Der von Sonja Rebernik-Heidegger flüssig übersetzte New-York-Times-Bestseller hat nicht den Anspruch, Lesende zu fordern, sondern spult sich geradlinig durch die erwartbare Handlung, in der auch ein sündhaft schöner Sprachlehrer, ein alternder Tennisstar und eine lautstarke Motorradgang auftreten; letztere entpuppt sich als genau so harmlos wie das emotionale Hurlyburly aller Figuren. Souverän täuscht die Autorin Tiefgang vor, während sie diesen gleichzeitig elegant umschifft, und unterhält dabei erstaunlich gut – fast vermisste ich die eingangs erwähnten Cracker, die das Lesevergnügen geschmacklich abgerundet (und in Kombination mit dem Roman vielleicht gar ein bisschen Bella-Italia-Feeling ins Münchener Westend gezaubert) hätten.

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Ich habe dieses Buch aus der Bibliothek eines Freundes ausgeliehen; es handelt sich bei dieser Rezension also nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.

Emma Straub: EIN SOMMER WIE KEIN ANDERER. Aus dem Englischen von Sonja Rebernik-Heidegger. Knaur Taschenbuch Verlag, 2015