Elke Heidenreich hat ein kurzes Buch geschrieben. Warum, das weiß nur das Klingeln der Kassen …
„Und ich denke: Ist das so? Muss man alles verstehen? Muss man nicht.“
Frau Heidenreich, die Romanfigur – denn hier Annie-Ernaux-t es mutmaßlich nicht –, liebt Plüschbären, die ein munteres Eigenleben führen, sie liebt Löwenzahn im Garten, Waffelbacken mit Freundinnen und den Mops an ihrer Seite, und natürlich liebt Frau Heidenreich ihre Nachbarin Frau Dr. Moormann, das ahnt sie nur noch nicht, die Romanfigur. Leider weiß aber auch die Autorin Elke Heidenreich etwas mutmaßlich nicht: Was das hier für ein Buch werden sollte.
Dass Elke Heidenreich eine Meisterin der kurzen Form ist, das hat sie über die Jahre immer wieder eindrucksvoll bewiesen; ich werde nie müde, die Bände ALLES KEIN ZUFALL und MÄNNER IN KAMELHAARMÄNTELN zu preisen. Und obwohl ich es viele Jahre nicht mehr in der Hand hatte, ist mir auch ERIKA noch in verschwommener, aber allerbester Erinnerung, ihre von Michael Sowa illustrierte Erzählung über ein Plüschschwein und die Suche nach dem Glück. Was, dachte sich der Leser von geringem Verstand, kann da nun schief gehen mit FRAU DR. MOORMANN & ICH?
Nun: eigentlich alles.
In 13 Momentaufnahmen und auf 88 augenfreundlich gesetzten Seiten erzählt Heidenreich von allerlei kleinen Begebenheiten, hinter denen sich mehr verbergen könnte; ob man nun aber die selbstverständlich ungehörige Bitte einer Nachbarin, zur Mittagsruhezeit nicht ganz so kreischend laut zu lachen, für einen Quell von Lebensweisheit halten sollte, sei dahingestellt. Natürlich muss nicht jedes Buch zwicken oder zwacken, manchmal möchten wir alle einfach ein bisschen eingelullt werden in allgemeingültiger Wohlfühlwatte. Und so könnte die Geschichte höchst unauffällig ihrem erwartbaren Ende entgegenplätschern – zumal dann, wenn man einmal die Hürde genommen hat, den Running Gag der eingestreuten Bären-Weisheiten nicht mehr nervig zu finden –, würde die von mir so geschätzte Autorin sich nicht eines seltsam anbiedernden Dutzi-Dutzi-Du-Tons bedienen, um ein sehr junges Publikum anzusprechen. Interessiert man sich in vorpubertären Zeiten für Damen im Frühherbst des Lebens? Ich erspare mir den Feldversuch, dies den Kindern von Freunden vorzulesen, weil ich vermutlich in Sekunden jegliche angestrebte „Cooler Onkel der herrliche Plastikgeschenke mitbringt“-Credibiliy verlöre.
So uneindeutig die Zielgruppe ist, so enttäuschend kommt auch die Ausstattung daher: Die 17 Illustrationen von Michael Sowa sind wirklich hübsch, aber so desinteressiert und klein zwischen die Textzeilen geschossen, dass sich die Frage aufdrängt, ob dies Absicht ist … oder die Notlösung, weil der Künstler ähnlich unmotiviert war, seinen Motiven etwas mehr Raum zum Atmen oder ein etwas größeres Panorama zu geben?
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es natürlich auch Stellen gibt, die nicht krampfhaft augenzwinkernd im Tonfall sind, sondern sympathisch zum Schmunzeln einladen – der kuriose Arbeitsplan zur Schneeräumung beispielsweise oder der motivatorische Effekt des Wortes „Tierheim“. Aber reicht das? Für mich leider nicht.
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Ich habe dieses Buch selbst gekauft; es handelt sich bei dieser Rezension also nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.
Elke Heidenreich: FRAU MOORMANN & ICH. Mit Bildern von Michael Sowa. Carl Hanser Verlag, 2023
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