Ein kurzes Interview mit Ruth-Maria Thomas zu ihrem Roman DIE SCHÖNSTE VERSION.

Ein Merkmal guter Literatur ist es sicher auch, dass man lange über einen Text nachdenkt, dass man das Bedürfnis hat, mit anderen Menschen darüber zu sprechen, und dass er dafür sorgt, dass man sich mit Freundinnen und Freunden über Themen austauscht, die an einem entspannten Abend sonst wohl eher nicht zur Sprache kämen.

DIE SCHÖNSTE VERSION von Ruth-Maria Thomas ist so ein Buch – und natürlich drängen sich sofort viele Fragen auf, die man der Autorin dieses eindringlichen, gewalttätigen, oft kühlen – aber nie kalten – Text über sexuelle Gewalt und eine toxische Beziehung stellen möchte. Ich habe mich für diese drei entschieden und freue mich, dass ich sie der Autorin im Rahmen des #buchpreisbloggen des Deutschen Buchpreis 2024 stellen kann.

Liebe Ruth, Dein Roman DIE SCHÖNSTE VERSION ist sehr direkt, wenn es um getrocknete Körperflüssigkeiten und sexuellen Missbrauch geht: Wie fühlt es sich an, so – und über so etwas – zu schreiben?

Ruth-Maria Thomas: „Über Gewalt zu schreiben ist für mich herausfordernd. Schreibe ich z.B. über die Hände am Hals der Protagonistin, vergesse ich selbst das Atmen. Ich sehe es als eine meiner Aufgaben als Autorin, die Gefühle und Erlebnisse meiner Figuren fühlbar und erlebbar für andere zu machen – natürlich immer mit den sprachlichen Mitteln, die der jeweilige Text verlangt. Das Schreiben über Körperlichkeit gehört für mich dazu, ich möchte da nichts ausklammern. Das Leben klammert schließlich auch nicht aus.“

Wenn Du Dir die Zusammensetzung Deines Publikums aussuchen könntest, wie viele Frauen unter 18 gäbe es und wie viele Männer, unabhängig vom Alter?

Ruth-Maria Thomas: „Ich würde mir auf jeden Fall sehr, sehr viele männliche Leser wünschen. Vor allem männliche Millennials. Ein paar Lehrerinnen haben schon gesagt, dass sie, wenn das Taschenbuch rauskommt, Klassensätze bestellen wollen. Das fand ich schön, und ich hoffe, dass das Buch dadurch nicht nur von jungen Frauen, sondern auch von jungen Männern gelesen wird.“

DIE SCHÖNSTE VERSION hat nicht nur ein wichtiges, erschreckend zeitloses und dadurch „großes“ Thema, sondern es ist über den hervorragenden Text hinaus auch ein Debüt der besonderen Art – Spitzentitel eines renommierten Verlags, nominiert für den Deutschen Buchpreis … Macht Dir das Mut für Deine Zukunft als Schriftstellerin – oder löst es eher ein „Was soll da jetzt noch kommen?“ bei Dir aus?

Ruth-Maria Thomas: „Beides. Ich habe nach jedem Text die Angst, nie wieder einen (guten) neuen schreiben zu können. Aber mit jedem neuen Text, der entsteht, wird die Angst ein bisschen kleiner. Ich befürchte aber, ein wenig wird sie immer bleiben. Und das ist vielleicht auch ein notwendiger Motor (für mich).“

Ich habe DIE SCHÖNSTE VERSION von Ruth-Maria Thomas von einer Freundin geschenkt bekommen, die beim Verlag arbeitet. Bei diesem Interview handelt es sich nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern ist einfach meiner Neugier geschuldet.

Ruth-Maria Thomas: DIE SCHÖNSTE VERSION. Rowohlt Verlag, 2024.