Ein Roman, in den man sich sinken lassen kann wie in eine warme Badewanne
„Eigentlich sind wir alle Huren, auf die eine oder andere Weise. Zumindest in Hollywood. […] Aber ich mag dich, wie du bist. Ich mag dich unmoralisch, rauflustig und schwierig. Ich mag die Evelyn Hugo, die die Welt so sieht, wie sie ist, und dann hinausgeht und ihr abringt, was sie will. Also, nenn es, wie du willst, nur ändere dich nicht. Das wäre eine wahre Tragödie.“
Kurzweilig, süffig, sehr kommerziell und im positiven Sinn manipulativ: DIE SIEBEN MÄNNER DER EVELYN HUGO ist ein perfekter Page Turner, ein Lesevergnügen für den Sommer und Balsam für alltagsgestresste Seelen.
Aber der Reihe nach: In ihrem in den USA bereits 2017 erschienenen Roman erzählt Taylor Jenkins Reid die Geschichte der Hollywoodlegende Evelyn Hugo, die in ihrem luxuriösen Appartement an der Upper East Side vor einer jungen Journalistin die Lebensbeichte ablegt: Sie hat ihre exilkubanische Herkunft verleugnet, um als „weißer“ Filmstar Karriere zu machen, sie hat Sex eingesetzt, um zu bekommen, was sie wollte, ihr eigenes Leben inszeniert und so die öffentliche Wahrnehmung manipuliert. Warum aber will der Star ausgerechnet die unbekannte Monique Grant zu ihrer Biographin machen?
Eingebettet in die Gegenwartshandlung – in der Moniques jüngst gescheiterte Ehe eine genretypische (und deswegen auch genretypisch vernachlässigungswürdige) Rolle spielt – erzählt die Autorin in chronologischer Reihenfolge und geordnet nach den Männern, mit denen Evelyn verheiratet war: Wie Perlen an einer Kette sind „der Arme“, „der Verdammte“, „der Leichtgläubige“ und die anderen aufgereiht, und obwohl jeder von ihnen eine Bedeutung für Evelyns Leben hat, gehört ihr Herz doch einem anderen Menschen. Geschickt platziert Taylor Jenkins Reid kurze Artikel aus Klatschzeitschriften, um zum einen zu zeigen, wie angreifbar Frauen in Hollywood lange Zeit waren (möglicherweise immer noch sind) – und zum anderen, damit wir uns freuen können, wenn einer von Evelyns Schachzügen aufgeht. Denn: Obwohl Evelyn Hugo stets betont, dass sie sich selbst als schlechten Menschen sieht, weil sie moralisch flexibel alles getan hat, was ihrer Meinung nach nötig war, möchten wir ihr zujubeln: Gerade in Zeiten, in denen um uns herum so vieles passiert, auf das wir keinen Einfluss haben, ist es ungemein befriedigend, wenn wir die kleinen und großen Triumpfe einer charismatischen Figur miterleben dürfen und feiern können.
Vor den Sieg haben das Leben und ein präzise geplanter Romanplot natürlich Probleme gestellt, und davon gibt es in diesem Buch reichlich: Rassismus und Frauenfeindlichkeit, Gewalt, Homophobie, tödliche Krankheiten, das menschenverachtende Studiosystem der „Glanzzeit“ Hollywoods. Das alles wirft nicht nur Evelyn Steine in den Weg, sondern trifft auch uns Lesende – aber nie so heftig, dass wir nicht sofort auf- bzw. angeregt weiterlesen würden. Der Roman zeichnet sich einerseits durch einen beiläufigen Tiefgang aus, von dem man sich andererseits aufgrund der Vielzahl der gestreiften Themen durchaus fragen könnte, ob man ihn nicht besser als Oberflächlichkeit einordnen sollte … aber dies nicht tun wird: DIE SIEBEN MÄNNER DER EVELYN HUGO ist mit so viel Unterhaltungswillen erzählt und mit so viel Geschick, mittels Schreckmomenten und Cliffhangern alle verfügbaren emotionalen Knöpfe zu drücken, dass sich eine kritische Analyse eigentlich nicht an-, sondern tatsächlich auch verbietet.
Die 462 Seiten wurden von Babette Schröder fließend aus dem Englischen übersetzt, wobei ich dem Text an einigen Stellen eine strengere Redaktion gewünscht hätte; wunschlos glücklich macht mich dagegen die mit Versatzstücken des Hollywood-Glamours spielende und dabei trotzdem nicht unmoderne Covergestaltung. (Nebenbei: Auf Wikipedia lese ich, dass Reid sich von der acht Mal verheirateten Elisabeth Taylor sowie Ava Gardner und Rita Hayworth hat inspirieren lassen; ich hingegen habe mir Evelyn optisch wie Lauren Bacall vorgestellt.)
DIE SIEBEN MÄNNER DER EVELYN HUGO hat mich an die alten Bücher von Barbara Taylor Bradford aus den 90ern denken lassen, in denen junge Frauen erst gewaltsam aufs Heidekraut gedrückt wurden, um dann aus dem Nichts ein Imperium aufzubauen, und erinnert – um modernere Vergleiche zu finden – meiner Meinung nach durchaus an CITY OF GIRLS von Elizabeth Gilbert, das zu Unrecht unbeachtete SAINT MAZIE von Jamie Attenberg (und vielleicht auch an das zurecht gerade sehr beliebte EINE FRAGE DER CHEMIE von Bonnie Garmus). Es ist ein Buch mit sehr viel „Hach“, wobei ich fast davon ausgehe, dass ich die Details schneller vergessen haben werde, als Champagner in einer Schale sein Prickeln verliert – aber da absolut nichts gegen schnellen und unkomplizierten Genuss spricht: LASST UNS DIE GLÄSER ERHEBEN AUF DIESEN ROMAN!
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Ich habe dieses Buch von einer Freundin geschenkt bekommen, die beim Verlag arbeitet; es handelt sich bei dieser Rezension trotzdem nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.
Taylor Jenkins Reid: DIE SIEBEN MÄNNER DER EVELYN HUGO. Aus dem Englischen von Babette Schröder. Ullstein Taschenbuch Verlag, 2022.
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