Ein kurzer Interview mit Hank Zerbolesch zu seinem Roman GORBACH.

Der Roman GORBACH, der gefühlt viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat, gehört zu meinen erklärten Leseüberraschungen und -highlights 2024 – und darum freue ich mich sehr, dass Hank Zerbolesch mir ein knackig-kurzes Interview gegeben hat. Ich wünsche mir euch viel Vergnügen … und dem Autor die Verkäufe, die seine testosterondampfende, aber auch um die Zerbrechlichkeit der Dinge wissende Außenseiter-Ballade verdient.

GORBACH ist ein Roman, der sich aus eng miteinander verwobenen Kurzgeschichten zusammenfügt – und deswegen möchte ich von Hank Zerbolesch wissen: Was hat Dich an dieser Erzählweise interessiert?“

Hank Zerbolesch: „Beim episodischen Erzählen habe ich die Möglichkeit, mich in jede Figur und Situation gesondert einzufühlen.

Wenn du einen Ort nur aus einer Perspektive beschreibst, hast du auch nur einen Blickwinkel. Aber jeder sieht ja eine Stadt ganz anders. Der eine findet die geil und baut sich da ein Haus, während die andere ihre Koffer packt und abhaut, so schnell sie nur kann. Und beide leben sie im gleichen Ort. Wenn ich mich da dann an eine einzelne Figur dranhänge, krieg ich immer nur die Person, aber nie den Ort. Durch das Arbeiten mit Episoden kann ich ein viel breiteres Licht auf Gorbach werfen. Darum sieht man dann auch besser und mehr.“

Mich hat GORBACH wirklich durch die Kapitel gepeitscht; jedes steht für sich, ja, aber das Buch hat einfach einen Sog, weil man mehr und immer mehr erfahren möchte. Und das sage ich, obwohl ich mir doch durchaus Romane wünsche, in denen es etwas „Sunshine, Lollipops and Rainbows“ gibt … was hier definitiv nicht der Fall ist. Denn:

„Du siedelst Deinen Roman GORBACH in einem ‚Problemviertel‘ an, schreibt über gebrochene Figuren und Gewalttätige – da drängt sich natürlich die Frage auf: Was hat Dich beim Schreiben davon abgehalten, bei so viel Dunkelheit selbst abzustumpfen?“

Hank Zerbolesch: „Gorbach ist entstanden, indem ich mich ein Jahr lang jeden Tag hingesetzt und zugehört habe, was da so in mir los ist: Freude, Wut, Verzweiflung, diese Dinge. Und das, was ich da fand, das variierte zwar mit der Tagesform, aber der Grundton war fast immer gleich. Darum muss man eher sagen, dass Gorbach wegen mir abgestumpft ist.

Wobei ich selbst Gorbach nicht als so sehr düster oder hart empfinde. Für mich ist das mehr wie ein Besuch bei alten Freunden. Die ich fast alle mag, auch wenn ich nicht immer gut finde, was die so machen. Aber weil es in Orten wie Gorbach eine so große Loyalität gibt (die mir in anderen Milieus sehr fehlt), hält man halt zusammen. Auch wenn der Udo schon wieder schlechte Stimmung im Kippchen verbreitet, der Kneipe, die für viele Figuren ein Dreh- und Angelpunkt ist, oder der Samuel jetzt schon zum dritten Mal die Beherrschung verliert. ‚Is halt der Samuel.‘ Weiß man ja auch. Geht man dem halt besser aus dem Weg.“

Musste ich beim Lesen von GORBACH an Hubert Selby und LETZTE AUSFAHRT BROOKLYN denken, vielleicht auch an Charles Bukowski? Ja, auf jeden Fall. Aber Zerbolesch kann mehr. Könnt ihr mir glauben. Weil … ach, das klären wir jetzt.

„In der Außenseiterballade GORBACH wird uns Lesenden einiges zugemutet – aber trotzdem schließen wir einzelne Figuren ins Herzen: Welche begleitet Dich heute noch, lange nachdem Du über sie geschrieben hast?“

Hank Zerbolesch: „Den irren Ele hab ich häufig noch im Kopf, den und das Kippchen-Personal. Auch weil ich die auf Lesungen immer wieder gerne raushole – weil die so viel von dem abdecken, was in Gorbach passiert.

Den depressiven Feuerteufel mag ich auch sehr gern. Der ist so schön ambivalent, den kann man als menschliches Gesamtpaket nur schwer scheiße finden.

Aber meine absoluten Favorites sind Toni und Chico und Frank und Omar. Ich muss immer lachen, wenn ich an die denke. Weil diese Typen, Toni und Chico und Frank und Omar, die gibt es genau so in jeder Stadt. Das sind richtige Archetypen. Und diese Unterhaltung, die kann auch genau so und genau jetzt in irgendeiner Wohnung da draußen stattfinden. Toni und Chico und Frank und Omar sind zeitlos. In 30 Jahren freu ich mich immer noch darüber, dass es die gibt.“

Ich habe Hank Zerboleschs GORBACH von einer Freundin geschenkt bekommen. Bei diesem Interview handelt es sich nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern ist einfach meiner Neugier geschuldet.

Hank Zerbolesch: GORBACH. Steidl Verlag, 2024.