Mit SAUNA hat Mads Ananda Lodahl ein großartiges queeres Buch geschrieben, das zart, krass und kraftvoll zugleich ist.

„Als ich später in ihn eindrang, war es eine völlig neue Erfahrung für mich, und ich hieß sie willkommen. Seit Milliarden von Jahren dehnt sich das Universum aus, warum sollte ich also darauf bestehen, das alles so blieb, wie es war, und dass alle Jungs gleich zu sein hatten? Hätte ich mich etwa gegen das Universum auflehnen sollen?“

Als er William zum ersten Mal sieht, weiß Johan sofort: Den will er haben, den Typen, der im Kopenhagener „Adonis Sauna Spa & Men’s Health Club“ seine Sportklamotten anlässt, obwohl die Männer doch hierherkommen, um möglichst schnell möglichst nackt Sex zu haben. Die beiden treffen sich, und vielleicht ist Johan tatsächlich schon verknallt in William, als er hinter ihm auf dessen Moped sitzt (bei dem es sich streng genommen um einen Roller handelt), sich an ihm festhält und den Fahrtwind spürt. Dass sich dann herausstellt, dass William im Körper eines Mädchens geboren wurde – ist eigentlich egal.

So beginnt SAUNA, der Roman von Mads Ananda Lodahl, der vieles ist: eine Liebesgeschichte, die so zart bleibt und so intensiv gelebt wird, das man fast den Punkt verpasst, an dem sie kippt; eine Coming-of-Age-Geschichte ohne deren typische Tropes, dafür mit Wut und Zerstörungswillen; dazu eine Millieustudie, die meist im Hintergrund simmert, bis sich Meinungen in den Vordergrund schieben, die mir nicht gefallen, aber nachvollziehbar dargestellt werden. (Ab hier gibt’s Spoiler, die aber in dem Rahmen des Klappentextes bleiben.)

Wie Mads Ananda Lodahl in SAUNA auf gerade einmal 242 Seiten so viele aktuelle und wichtige Themen zu einem schnellen Lesevergnügen verwebt, ist begeisterungswürdig!

Johan ist Anfang 20, weiß nicht so recht, was er mit seinem Leben anfangen soll, und arbeitet deswegen in besagtem Saunaclub, in dem es wenig Auf-, aber viele Ergüsse gibt; wer beim Titel des Buchs allerdings denkt, dass diese im Mittelpunkt stehen, der täuscht sich. Mad Ananda Lodal nutzt das Setting nur, um unterschiedliche Menschen aufeinanderprallen zu lassen, die Alten und die zumindest nicht mehr Jungen, die Angepassten, die sich gesellschaftliche Gleichstellung wünschen und auf die Einführung der „Homo-Ehe“ hoffen, und diejenigen, die diese Form der „Assimilation“ ablehnen.

Der Autor lässt – zumindest in meiner Wahrnehmung – keinen Zweifel daran, auf welcher Seite er steht, und es ist ganz sicher nicht meine, aber das macht Literatur aus: Dass sie uns zu einem Verständnis führt, das zwicken und zwacken darf.

Viel stärker im Mittelpunkt stehen zwei andere Fragen: Zum einen die, wie es immer noch sein kann, dass ein Staat die Entscheidung darüber, wer als Mann oder als Frau leben darf, in die Hände von Medizinier*innen legt – und zum anderen die damit eng verbundene Frage, wann das Engagement für einen Menschen zum Selbstzweck wird. Ja, des einen Utopie ist des anderen Albtraum, und was als Wunsch nach vollständiger Akzeptanz verstanden werden darf, kann für diejenigen, die eigentlich geschützt werden sollen, zum Diktat werden.

Klingt das jetzt zu abstrakt? Dann lohnt es sich umso mehr, SAUNA zu lesen und den Roman als Bestärkung, Hinterfragung oder neuen Ausgangspunkt für die eigene Meinung zu nutzen.

Von der Identifikationsfigur zur fiesen Arschkrampe?

Mit Johan ist dem Autor eine sehr gute Figur gelungen, der man gerne durch die Geschichte folgt, am Anfang mit viel Sympathie, dann zunehmend mit dem Gefühl, dass bei ihm etwas aus dem Ruder läuft. Und auch hier versteht es Mad Ananda Lodahl meiner Meinung nach hervorragend, uns verschiedene Lesarten zu ermöglichen:

Wir verstehen gut, dass Johan von seinem Chef genervt ist, und seine kleinkriminellen Aktionen gegen ihn gefallen uns vielleicht sogar, weil es doch charmant ist, wenn ein junger Mensch Wege findet, gegen das Establishment zu rebellieren. In einem Nebensatz, den man fast überlesen kann, öffnet der Autor uns aber auch einen anderen Blickwinkel – denn nach einer Sprayer-Aktion, bei der William und Johan ihre Wut gegen die bürgerliche Welt an Schaufenster sprühen, ist es ausgerechnet ein schwuler Geschäftsmann, der den meisten Schaden davon trägt und die größte Angst haben muss, gezielt ins Fadenkreuz geraten zu sein.

Wann ist ein Mann ein Mann, und wodurch wird er dazu? Wie hat man Sex nicht nur in, sondern mit einem Wald? Kann eine Vulva in ihrer Gesamtheit auch ein deutlich weniger komplexer Penis sein? Ist es möglich, einen realen Raum, in dem man zu einem abstrakten Körper reduziert wurde, für sich zurückzuerobern … und überhaupt nötig?

Viele Fragen, eine Antwort: APPLAUS für den Autor!

SAUNA ist ein Roman, über den man sehr viel erzählen kann und sicher sollte – denn in dem von Andreas Donat fließend aus dem Dänischen übersetzten Roman spielen auch Rassismus, kulturelle Aneignung, das Ringen um Deutungshoheit und Diskriminierungen innerhalb der LGBTQ-Szene, die allzu oft eben keine Gemeinschaft ist, wichtige Rollen. Ich mache es an dieser Stelle trotzdem nicht, denn es lohnt sehr, das Buch von Mads Ananda Lodahl selbst zu lesen.

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Ich habe dieses Buch nicht gekauft, sondern als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Bei meiner Rezension handelt es sich trotzdem nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung: Sie gibt lediglich meine subjektive und unbeeinflusste Meinung wieder.

Mads Ananda Lodahl: SAUNA. Aus dem Dänischen von Andreas Donat. Albino, 2025.