Kann nicht ganz an die Vorgänger anknüpfen, ist aber trotzdem ein Vergnügen
„1984 hassten mich eine Menge Leute. Aber ich ließ mich nicht beirren und gewann alle vier Grand-Slam-Turniere. Noch nie hatte jemand so viele Wochen die Weltrangliste angeführt. Und ich stellte fest, dass sich die Leute von Siegen umstimmen ließen, anscheinend eroberte ich einen Teil ihrer Zuneigung zurück.“
Es ist verblüffend, wie sehr mich diese Autorin nun sogar mit einem Tennis-Roman begeistert hat, denn weder interessiere ich mich für den Sport noch wuchs mir die Hauptfigur ans Herz … und wenn ich ganz ehrlich bin: Ich habe mich durch Teile des von Babette Schröder übersetzten Romans über eine Tennislegende, die aus dem Ruhestand zurückkehrt, gelangweilt. Aber Taylor Jenkins Reid stellt mit CARRIE SOTO IS BACK einmal mehr unter Beweis, dass sie die Königin des Cliffhangers ist. Sie schafft es spielend, uns an ihre Geschichten zu fesseln, sie drückt sehr geschickt jeden emotionalen Knopf, der sich anbietet – und das, obwohl ihre Frauenfiguren nie versuchen, sich die Sympathie von uns Lesenden zu erschleichen. Die Konstruktion der Geschichte ist stabil, die Dialoge sitzen, und dass hier auf der emotionalen Ebene viel oberflächlich und unbeantwortet bleibt und die Handlung trotz der vermeintlich vor sich hin schillernden Graustufen (und ein paar schönen Seitenhieben gegen Medien, Berichterstattung über Frauen und eitle Männervorstellungen) letztendlich doch reinstes Schwarzweiß ist, unterstreicht nur die Erzählkunst der TikTok-Sensation.
(Eins stößt mir allerdings auf: In Ermangelung der Originalkenntnisse kann ich nur vermuten, dass Carrie als „Bitch“ bezeichnet wird – und dies mit dem sexuell konnotierten oder mit einer gewissen Unordnung in Verbindung zu bringenden „Schlampe“ zu übersetzen statt mit dem deutlich passenderen „Miststück“ habe ich Leser von geringem Verstand doch als argen Stolperstein empfunden.)
Wer auf der Suche nach einem höchst kommerziellen und trotz einiger Längen kurzweiligen Roman ohne Überraschungen, aber mit sehr hohem Unterhaltungswert ist, der greife zu – auch wenn Carrie nicht das Zeug hat, wie Daisy Jones oder Evelyn Hugo länger im Gedächtnis zu bleiben.
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Ich habe dieses Buch von einer Freundin geschenkt bekommen, die beim Verlag arbeitet; es handelt sich bei dieser Rezension also nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.
Taylor Jenkins Reid: CARRIE SOTO IS BACK. Aus dem Englischen von Babette Schröder. Ullstein Verlag, 2022
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