Manchmal ja – wenn es ein Buch von Alan Bennett ist!

„Ich kaufe Narzissen in einem Laden an der Camden High Street. Eine ältere Frau fragt nach Veilchen, aber die sind nicht mehr ganz frisch. ‚Macht nichts‘, erklärt sie, ‚ich will sie bloß in ein Grab werfen.‘“

Ich bin geneigt, alles in den Himmel zu heben, was von Alan Bennett stammt, und es steht zu befürchten, dass ich auch dann noch einen weiteren Salto-Band kaufen werde, wenn es seine Abschrift eines öffentlichen Telefonbuchs aus dem Jahre 1974 beinhaltet. DER SOUVERÄNE LESER (139 Seiten, fließend übersetzt von Ingo Herzke, aber mit einem Titel versehen, der sich so plump an den Bennett’schen Bestsellers heranwanzt, dass man auch gleich „Mogelpackung“ auf den handschmeichelnden Einband hätte setzen können), lässt mich trotzdem mit einem leisen „Hmpf“ zurück: Trotz des übergeordneten Themas macht die Zusammenstellung der 13 Texte über Bibliotheken, Autoren und Lektüren auf mich einen willkürlichen Eindruck und ließ mich an Granatsplitter denken (die aus der Bäckerei, nicht dem Schützengraben) – das, was noch übrig war, musste irgendwie verarbeitet werden.

Natürlich ist es ein Vergnügen zu lesen, was Bennett über Kafka zu sagen hat (während mir seine Begeisterung für Philip Larkin schleierhaft blieb), natürlich finde ich es herrlich, durch ihn das Wort Paralipomenon kennengelernt zu haben, das mein Leben deutlich mehr bereichert als das Wissen, dass Mr. Bennett möglicherweise einmal auf das Grab von Shakespeares Vater gepinkelt hat. Und natürlich möchte ich jubeln ob typischer kleiner (und dabei großer) Bennett-Momente, sei es die Blumenladen-Szene oder das Aufblitzen seines Humors, wenn er einen sehr schönen Gedanken über die Wechselwirkung zwischen Schreibenden und Lesenden dadurch bricht, dass die Anerkennung von Fans für Montaigne doch etwas spät kommt.

Trotzdem bleibt der Eindruck von „Alans Resterampe“. Bin ich ungerecht? Möglich. Bin ich vielleicht auch traurig, weil dieser Band unterstreicht, dass im Spätherbst von Bennetts Leben kaum mehr mit einem großen Wurf zu rechnen ist? Wahrscheinlich. Und werde ich trotzdem nie auf die Idee kommen, etwas anderes für den Autor zur Hand zu nehmen als die allerfrischesten Veilchen? Unbedingt!

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Ich habe dieses Buch selbst gekauft; es handelt sich bei dieser Rezension also nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.

Alan Bennett: DER SOUVERÄNE LESER. Wagenbach Verlag, 2020