Mit SCHWEBENDE LASTEN hat Annett Gröschner einen der besten Romane der Saison geschrieben – und beantwortet hier nun drei neugierige Fragen.

So unscharf das Bildmotiv auf dem Umschlag ist, so klar ist der Blick von Annett Gröschner auf ihre Hauptfigur Hanna Krause und deren Lebensgeschichte: SCHWEBENDE LASTEN gehört mit Sicherheit zu den besten Büchern, die ich im Frühjahr 2025 lesen durfte – und ich bin immer noch verblüfft, wie die Autorin es schafft, so unaufgeregt und mit einer vermeintlich einfachen Sprache eine Geschichte zu erzählen, die das Große im Kleinen findet, das Besondere im Alltäglichen … und schlimmsten Momenten eine Poesie verleiht, die grausam ist – und große Erzählkunst zugleich.

Umso mehr freue ich mich, dass Annett Gröschner sich die Zeit genommen hat, mir drei Fragen zu ihrem Roman zu beantworten.

In SCHWEBENDE LASTEN erzählst Du das Leben der Magdeburgerin Hanna Krause – und über 80 Jahre deutsche Geschichte. Was hat Dich daran gereizt, einer „ganz normalen“ Frau und einem Leben, in dem das Schreckliche oft gegenwärtiger ist als das Schöne, ein literarisches Denkmal zu setzen?

Annett Gröschner: „Jede Existenz ist ein Rührstück, hat der Biograph Valeriu Marcu einmal gesagt. Ich kannte viele Hanna Krauses, die ihr Leben selbst als nicht erzählenswert ansahen. Sie waren es aber alle. Diese Figur hat sich über die Jahre in mir festgesetzt, sich langsam entwickelt und sich während des Schreibens verändert. Figuren führen ja auch ein Eigenleben jenseits ihrer Schöpfer*innen.“

Ein Gemälde von Ambrosius Bosschaert (1573–1621) spielt eine kleine, aber wichtige Rolle im Roman. Wie kam es dazu?

Annett Gröschner: „Die Geschichte Hanna Krauses war ursprünglich Teil eines größeren Romanprojektes, in dem sie in eine Gegenwartserzählung eingebettet war. Um sie von den anderen Kapiteln zu unterscheiden, habe ich den Hanna-Kapiteln Blumennamen gegeben. Ursprünglich waren das gewöhnliche Gartenblumen.

Als ich dann Stadtschreiberin in Rotterdam war, bin ich ins Mauritshuis nach Den Haag gefahren und habe das Gemälde von Ambrosius Bosschaert entdeckt. An dem Tag waren zwei alte Besucher*innen aus unterschiedlichen Weltgegenden im Museum, die unabhängig voneinander vor ihrem jeweiligen Lieblingsbild zu hüpfen und zu lachen anfingen. Da wusste ich, auch Hanna Krause aus Magdeburg wäre gehüpft vor einem Bild, dem Gemälde Blumenvase in einer Fensternische. So wurden das Bild und seine Blumen Teil des Romans, aus dem irgendwann zwei wurden.

Wir erleben in Deutschland einen Rechtsruck, eine Verrohung, und gleichzeitig gibt es viele Romane, in denen es einfühlsam um Frauen geht, die sich durch ihre Mutterschaft überfordert fühlen. In Deinem Roman geht es um zwei Diktaturen – und eine Frau, die sechs Kinder bekommt und nie den Luxus hat, Schwäche eingestehen zu dürfen. Ist SCHWEBENDE LASTEN auch ein Weckruf?

Annett Gröschner: „Ich habe den Roman nicht aus politischen Gründen geschrieben, auch wenn er die Ängste, den Opportunismus und die Gewalt in Diktaturen zeigt.

Es liegt mit fern, irgendjemandem besserwisserisch einen Spiegel vorzuhalten und Frauengenerationen gegeneinander auszuspielen. Jede Gegenwart hat ihre Zumutungen, Hoffnungen, Glücksansprüche, Erwartungen und Zwänge, die es wert sind, erzählt zu werden. Wir können froh sein, ein Leben wie Hannas nicht mehr führen zu müssen. Und wir sollten aufmerksam sein, weil überall auf der Welt Frauenrechte oder Rechte von queeren Personen wieder massiv abgebaut oder in Frage gestellt werden.“

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Ich habe den Roman von Annett Gröschner nicht selbst gekauft, sondern bei einem Besuch im Verlag von der Programmleiterin Susanne Krones in die Hand gedrückt bekommen. Bei meinem Interview handelt es sich trotzdem nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung; ich habe es geführt, weil ich neugierig bin.

Annett Gröschner: SCHWEBENDE LASTEN. C.H. Beck, 2025