Wie kann man einen Roman schreiben, der so intensiv und dicht ist und gleichzeitig so durchlässig und luftig wie DAS SCHWARZ AN DEN HÄNDEN MEINES VATERS? Ein Interview mit Lena Schätte.

Ein Ausflug ins Zillertal, ein Chalet oben in den Bergen, ein weiter Blick und viel Sonne – zugegeben: Vielleicht nicht der Rahmen, um ein Buch zu lesen, in dem es um die das Zerbrechen einer Familie geht, die es dabei doch schafft, aneinander festzuhalten, um Alkoholismus und Determinismus, um das Verlorensein. Vielleicht war ich in der schönen Umgebung aber besonders empfänglich für DAS SCHWARZ AN DEN HÄNDEN MEINES VATERS: ein Roman, der mich durchgerüttelt und mit jedem seiner kurzen Kapitel sehr begeistert hat.

Umso mehr freue ich mich, dass Lena Schätte die Zeit gefunden hat, mir drei Fragen zu ihrem Buch zu beantworten. Wir fangen an mit einer Frage zum persönlichen Hintergrund der Autorin – ihr merkt schon, manchmal bin ich voll investigativ unterwegs …

„Liebe Lena, Du hast früher als Krankenschwester in der Psychiatrie gearbeitet, heute betreust Du Suchtkranke – ist das eine gute oder gar notwendige Schule, um einen so intensiven Familienroman wie DAS SCHWARZ AN DEN HÄNDEN MEINES VATERS zu schreiben?“

Lena Schätte: „All die Erfahrungen als Krankenschwester waren sehr wichtig für das Buch. Ich habe über die Jahre so viele Geschichten von Betroffenen und ihren Angehörigen gehört, von ihren Sorgen, Nöten, ihren Bewältigungsstrategien, aber auch ihrem Glück. Ich war in Räumen, in die man ansonsten nicht reinkommt. Diese Stimmen haben sehr stark mitgesprochen im Schreibprozess, und ich bin sehr dankbar dafür. Und ganz abgesehen von dem Rechercheaspekt, ist es immer hilfreich, neben dem Schreiben noch etwas anderes zu machen, mit Leuten, die das alles nicht so sehr interessiert, und sich mit anderen Dingen zu beschäftigen.“

Heiter kann man DAS SCHWARZ AN DEN HÄNDEN MEINES VATERS wirklich nicht nennen, darum kommen wir jetzt knallhart zum Inhalt:

„Deine Hauptfigur trinkt ebenso systematisch wie unkontrolliert, weil sie den Wunsch nach Selbstermächtigung in der Selbstaufgabe hat: ‚Ich steige aus mir heraus und lasse die Leute mit meinem Körper allein.‘ Wie fühlt es sich an, als Autorin in so einer Gedankenwelt unterwegs zu sein – und wie bekommst Du es hin, dass Dein Roman trotzdem nicht niederschmetternd ist?“

Lena Schätte: „Das war manchmal schwer auszuhalten, und das Schreiben hat sich oft angefühlt, als würde ich die Hand auf die Herdplatte drücken und testen, wie lange ich aushalte. Und so ist auch die Form mit den kurzen Kapiteln entstanden.

Die Hoffnung in allem bezieht sich, glaube ich, aus der Ambivalenz. Der Tag hat immer 24 Stunden, niemand ist immer besoffen, immer furchtbar. Es ist alles gleichzeitig da, in so einer Familie: Die Nähe, die Liebe, das Vertrauen, aber eben auch der Bruch und die Enttäuschung.“

Ihr seid hier auf einem Kultur-Blog unterwegs, also frage ich zum Abschluss natürlich auch noch mal voll ganz professionell nach der Machart des Romans:

„Dein Roman begeistert auch, weil Du virtuos zwischen den Zeitebenen wechselst und noch dazu mal ganz bei Deiner Erzählerin bist, dann beim Vater oder der Großmutter. Hast Du das nach einem klar umrissenen Handlungsbogen geschrieben – oder die verschiedenen Texte nachträglich wie zu einem größer werdenden Mosaik zusammengefügt?“

Lena Schätte: „Ich bin lange mit den Gedanken um diesen Text rumgelaufen, ohne ihn zu schreiben. Aus vielen Sorgen heraus, ob das Thema besprechbar ist, und wenn, dann in welcher Form. Es wie ein Mosaik zu schreiben, ohne einen großen Fahrplan, mir all die kleinen Teile und ihre Momente anzusehen, bevor ich im letzten Schritt alles zusammensetze und nach einer Dramaturgie suche, hat mir dabei sehr geholfen. Und am Ende hat dann vieles ganz organisch gepasst, als hätte die Geschichte schon längst ihren eigenen Bogen gebaut. Die Dinge zu methodisch anzugehen, hat bei mir nie funktioniert. Mein Schreiben war schon immer sehr bauchgefühlig und intuitiv.“

Ganz ehrlich: Ich weiß gar nicht, wie man einen Roman wie DAS SCHWARZ AN DEN HÄNDEN MEINES VATERS so dicht und gleichzeitig so durchlässig, weil luftig, durchkomponieren kann. Große Kunst – und großes Vergnügen, trotz des Themas. Oder gerade deswegen? Das findet ihr jetzt bitte selbst für euch heraus! Worauf wartet ihr noch?

***

Ich habe diesen Roman nicht als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten, aber als persönliche Empfehlung und Geschenk von einer Freundin, die dort arbeitet. Bei diesem Interview handelt es sich trotzdem nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung; es ist meiner Neugier geschuldet.

Lena Schätte: DAS SCHWARZ AN DEN HÄNDEN MEINES VATERS. S. Fischer Verlag, 2025.