Der feministische Blick auf einen antiken Mythos, wunderbar illustriert

„Das ist das Stichwort, auf das hin ich die Augen aufschlagen, erstaunt und dankbar nach Luft schnappen und ihn, der über mir steht wie die Sonne am Himmel, verträumt ansehen muss, und dann vögelt er mich.“

CIRCE von Madeline Miller gehört zu den Romanen, an die ich immer wieder gerne zurückdenke – dieser Roman hat, auch in der Übersetzung von Frauke Brodd, einen ganz eigenen Klang, der die archaische Erzählung modern färbt, ohne dabei den historischen Kontext zu stark in unsere Gegenwart zu zerren. Kein Wunder also, dass ich mich auf ihre Erzählung GALATEA gefreut habe … und nicht enttäuscht wurde.

Auf den 75 augenfreundlich gesetzten Seiten wird die Kurzgeschichte von einem ebenfalls von Ursula C. Sturm übersetzen Vorwort der Autorin und einem Nachwort von Andreas Knabl (whoever that might be) flankiert sowie durch den aus dem Lateinischen von Niklas Holzberg übertragenen Auszug aus Ovids METAMORPHOSEN, der nicht nur MY FAIR LADY (und möglicherweise PRETTY WOMAN) inspirierte, sondern eben auch Madeline Millers Geschichte über toxische Männlichkeit und weibliches Aufbegehren. Ich rate dazu, zuerst den zentralen Text zu lesen, dann das Vorwort der Autorin, hernach das mythologische Verswerk … und dann stört der mutmaßlich vorrangig zur Umfangserweiterung genutzte Appendix, der meiner Meinung nach wenig Mehrwert bietet, auch nicht.

Ein Happyend darf man in einer schwebend leicht erzählten, dabei aber eigentlich niederschmetternden griechischen Tragödie selbstverständlich nicht erwarten – und doch möchte man am Ende jubeln und nicht nur Galatea, sondern auch ihrer literarischen Schöpferin und dem deutschen Verlag Kränze winden: Durch die besondere Magie von Madeline Miller, die ebenso Coffeetable-taugliche wie handschmeichelnde Ausstattung und die hinreißenden Illustrationen von Thomke Meyer ist GALATEA ein Schmuckstück, das seinen Preis wert ist – und perfekter Fanservice im allerbesten Sinne!

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Ich habe dieses Buch selbst gekauft; es handelt sich bei dieser Rezension also nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.

Madeline Miller: GALATEA. Aus dem Englischen von Ursula C. Sturm, illustriert von Thomke Meyer. Eisele Verlag, 2022