Die „Zweitverwertung“ von Mariana Lekys Kolumnen ist ein großes Vergnügen

„Man weiß nie, ob eine hereingepreschte kurze große Liebe ihre Dauer um Jahrzehnte überdauern kann, sage ich. Man weiß nie, ob ein stundenlanges Glück so schwerwiegend ist, dass es lebenslang reich. […] Oder, überlege ich, Tante Traudl hatte im Gegensatz zu uns anderen begriffen, dass letztendlich die Liebe zu jemandem an sich ein Glücksfall ist, egal, wie ausführlich dieser Jemand einen zurückliebt.“

Ein gewisses Maß an Herausforderung mag die Würze des Lebens sein, aber ich könnte gerade auf weiteren Cayennepfeffer verzichten. Und leider ist es mir als Leser von geringem Verstand nicht möglich, Ruhe und Trost zum Beispiel in den Essays einer intellektuellen Lichtgestalt zu finden wie so viele andere hier auf Instagram – aber, hurra, in diesem Buch.

KUMMER ALLER ART, vom Verlag als handschmeichelnder, strukturbezogener Pappband aufgelegt und mit einem vergnügten Vorsatz und Lesebändchen veredelt, könnte eine Zumutung sein: 39 Kolumnen, die von Mariana Leky für die Zeitschrift „Psychologie heute“ geschrieben wurden, in denen es um die vermeintlich kleinen alltäglichen (und dadurch natürlich großen) Dinge geht, und im Kern nichts anderes tun, als Kalenderweisheiten in eine neue Darreichungsform zu überführen. Da die Figuren (und Archetypen), denen die Erzählerin in ihrem Wohnhaus und ihrer Familie begegnet, immer wieder auftreten, entsteht das Gefühl eines luftig vor sich hin-reigenden Episodenromans … und der ist, zu meiner eigenen Verblüffung, Balsam für die Seele.

Mariana Leky hat diesen ganz besonderen Blick auf Gefühle, Situationen und Menschen, behutsam, tastend, herrlich verschrullt und ungemein sympathisch. Und obwohl das alles natürlich sehr genau konstruiert und auf den maximalen Effekt ausgerichtet ist, verströmen die 170 Seiten kein kühles Kalkül, sondern eine Authentizität und Aufrichtigkeit, in die man sich kuscheln kann wie in eine warme Decke oder das Summseln nach dem zweiten Glas Wein.

KUMMER ALLER ART ist ein Stundenbuch ganz eigener Art, das man an jeder Stelle aufschlagen kann, um sich andachtsvoll in eine dieser zauberhaften Momentaufnahmen fallen zu lassen, die naiv wirken können, es meiner Meinung nach aber nicht sind, sondern auf angenehmste Art barrierefrei – wenn Ängste zu Superkräften werden, wenn Zuschreibungen, die wir wie Orden tragen, als Blechschmuck enttarnt werden, wenn Briefkästen verschwinden, Menschen sich nicht mit Entspannung auskennen und Achselschweiß möglicherweise lebensweiser ist, als man denken sollte.

Es müsste mehr Bücher geben wie dieses hier, denke ich, streichle noch einmal über den Einband und bin ganz bei mir und im Augenblick – und voller Bewunderung für die Kunst von Mariana Leky, die wohl auch (ich zitiere) „vom Glück begünstigt“ ist.

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Ich habe dieses Buch selbst gekauft; es handelt sich bei dieser Rezension also nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.

Mariana Leky: KUMMER ALLER ART. Dumont Verlag, 2022