Ein Kurzinterview mit Lensi Schmidt zu ihrem Buch ICH ALS FEMINIST.
Wenn ein Mann eine Frau fragt, ob sie zugenommen hat – und dabei mitschwingt, dass er damit über die reine Feststellung hinaus ihren Körper kritisieren will –, dann ist uns sicher allen klar, dass er das besser nicht tun sollte. Aber was ist möglicherweise falsch daran, wenn ein Mann sagt, dass Vergewaltiger Monster sind … und kann sich auch in einem freundlichen »Ich bringe dich sicher nach Hause« ein kommunikativer Stolperdraht verbergen?
Lensi Schmidt lacht und wütet in ihrem Buch ICH ALS FEMINIST über 70 DINGE, DIE WIR BEI MÄNNERN NICHT MEHR ERTRAGEN. Der Text hat mich durchgerüttelt, zum Nachdenken angeregt, durchaus auch Widerspruch in mir geweckt – und mich zwischendurch immer wieder zum Grinsen gebracht. Mein Fazit? Wir brauchen mehr weibliche Wut!
Umso mehr freue ich mich, dass Lensi Schmidt sich die Zeit für meine drei neugierigen Fragen genommen hat.
Liebe Lensi, in ICH ALS FEMINIST versammelst Du 70 Sprechblasen, die Männer von sich geben. Schöpfst Du dafür allein aus Deinem Erfahrungsschatz?
Lensi Schmidt: „Ein Großteil davon basiert auf eigenen Erfahrungen oder denen von Freundinnen – oft Gespräche, die wir so oder so ähnlich tatsächlich geführt haben. Manche Aussagen kamen mehrfach vor, in verschiedenen Kontexten, was ihre Hartnäckigkeit zeigt. Ich habe außerdem immer wieder notiert, was mir im Alltag oder in Medien begegnet ist.
Es ging mir darum, ein möglichst breites Spektrum an männlichen Aussagen zusammenzutragen, die strukturelle Denkmuster in individuellen Situationen offenbaren – von Alltagssexismus bis zu subtileren Abwehrmechanismen gegen feministische Perspektiven in zwischenmenschlichen Beziehungen zu Männern, die sich feministisch identifizieren.“
Dein Buch hat mir sehr gefallen, weil es mich zum Nachdenken gezwungen hat – und weil ich die Mischung toll finde aus bissigem Humor und einer Wut, die herrlich aufbrandet, auch wenn bei ihr Verzweiflung mitzuschwingen scheint. Findest Du Dich in dieser Sichtweise wieder?
Lensi Schmidt: „Ja, das trifft es ziemlich gut. Humor ist für mich ein wichtiges Mittel, um Schmerzhaftes greifbar – und manchmal auch erträglicher – zu machen. Die Wut in meinem Buch ist ehrlich und notwendig, eine direkte Reaktion auf reale Erfahrungen. Aber sie steht nie allein: Oft schwingen Enttäuschung, Ohnmacht oder Müdigkeit mit. Viele Frauen kennen dieses diffuse Gefühl in kleinen Situationen: Irgendetwas stimmt nicht, obwohl man auf rationaler Ebene genau weiß, was los ist – Patriarchat.
Und trotzdem fühlen wir uns oft allein damit, gerade in Beziehungen mit Männern. Ich wollte mit dem Buch eine Stimme finden, die provokant, laut und wütend ist – ohne mich zu zensieren oder ständig zu fragen, ob das jetzt zu viel ist.“
Du stellst Deinem Buch die wichtige Aussage voran: DIE SCHAM MUSS DIE SEITE WECHSELN. Wen wünschst Du Dir darum in erster Linie als Publikum – Frauen, denen Du den Rücken stärkst, oder Männer, die Du wachrüttelst?
Lensi Schmidt: „Ich wünsche mir Leser*innen, die bereit sind, genau hinzusehen – bei sich selbst und in ihren Beziehungen. Frauen sollen sich durch das Buch gestärkt fühlen, aber nicht im Sinne von Empowerment-Slogans, sondern durch Wiedererkennen, Irritation, vielleicht sogar Erleichterung: dass das, was ihnen oft diffus vorkommt, tatsächlich Struktur hat. Männer sind ausdrücklich mitgemeint. Nicht als direkte Zielgruppe, die ich überzeugen will, sondern als Teil eines Systems, das von ihrer kritischen Selbstbefragung profitieren würde. ‚Die Scham muss die Seite wechseln‘ ist kein Trostpflaster, sondern eine Umverteilung: von Schuld, Verantwortung und Sprache.“
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Ich habe das Buch von Lensi Schmidt nicht selbst gekauft, sondern vom Verlag als Rezensionsexemplar erhalten. Bei meinem Interview handelt es sich trotzdem nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung; ich habe es geführt, weil ich neugierig bin.
Lensi Schmidt: „ICH ALS FEMINIST.“ 70 Dinge, die wir bei Männern nicht mehr ertragen. Gutkind Verlag, 2025.
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