Gleicht der Roman LIAISONS von Céline Robert einem literarischen Croissant? Schön anzusehen, luftig-knusprig im Anbiss, aber durchaus mit mehr Sättigungsgefühl, als man zuerst denken würde.
„Anzügliche Bemerkungen, wie Lauren sie regelmäßig von Maxime zu hören bekam, wagt man nur jemandem gegenüber, bei dem man sich ihrer Folgenlosigkeit sicher ist. Wie ein Cowboy, der den großen Macker heraushängen lässt, aber Russisch Roulette mit Platzpatronen spielt. […] Genau da hat sie beschlossen, diesen weiteren Schritt zu tun, wie um ihn zu bestrafen, wie um eine Herausforderung anzunehmen, vor die sie gar nicht gestellt wurde. Billy the Kid würde sich weniger aufspielen, wenn er erst begriff, dass er echte Kugeln im Lauf hatte.“
Als ich den Werbetext für den von Alexandra Baisch fließend übersetzten Roman LIAISONS in der Vorschau des Verlags las, war ich kurz irritiert – denn gefühlt hatte der Eisele-Verlag darin bereits den kompletten Inhalt dieses 189 Seiten schmalen Romans verraten. Nun komme ich nach der Lektüre zu der Erkenntnis, dass man tatsächlich kaum über diesen eleganten Reigens der französischen Autorin Céline Robert schreiben kann, ohne genau das zu tun … ohne dass dies meiner Meinung nach aber dem Lektürevergnügen abträglich ist.
Paris, jetzt: Lauren liebt ihren Mann Jean, möglicherweise vor allem dann, wenn er gedankenverloren mit der Katze spielt – und beschließt, sich und ihrem ewig provozierenden Kollegen Maxime zu beweisen, dass sie mit 41 nicht etwa ver-, sondern erst so richtig aufblüht. Aber wie wird das Alpha-Männlein darauf reagieren, dass es hier auf einmal die Frau ist, die sagt, wo es im Konferenzraum und im Bett langzugehen hat – und wird Lauren ihm gegenüber wirklich so distanziert bleiben, wie sie eigentlich plant?
Kann sich der Gesellschaftsroman LIASONS von Céline Robert mit den Größen dieses Genres messen?
Bei Romanen, die genüsslich das Leben der französischen Bourgeoisie sezieren, bietet es sich an, den Vergleich zu den Romanen und Theaterstücken von Yasmina Reza zu suchen – würde man es in diesem Fall tun, man könnte LIAISONS zur Pflicht gratulieren, müsste aber möglicherweise Punkte für die Kür abziehen: Céline Roberts ist weniger gallig oder „böse“ (so man LaReza dieses Attribut widmen möchte), mit größerer Sympathie und Nachsicht für ihre Figuren. Und, wie ich unabhängig davon ein paar Mal dachte, ohne das „je-ne-sais-quoi“, das ich mit französischer Literatur verbinde. Dies möge nicht als Kritik missverständen werden; im letzten Jahr habe ich EIN SOMMERABEND von Cécile Tlili mit Vergnügen gelesen, und in genau dieser Güteklasse bewegt sich auch LIAISONS.
Kehren wir zum Ensemble der Geschichte zurück: Maxime ist verheiratet mit Nadia, schön, begehrenswert, die Art von Frau, die Männer wie er gerne als Trophäe präsentieren, zumal sie nicht nur in höchstem Maße dekorativ, sondern auch beruflich erfolgreich ist.
Zwei Frauen, eine Partyeinladung – und die Frage, wer hier am Ende überraschter sein wird über das, was passiert …
Nadia spielt dieses Spiel in einer Mischung aus Selbsteinordnung und Pflichterfüllung mit, bis sie vom Gewicht der eigenen Anforderungen in einen Burnout gedrückt wird („Die Atempause, die der Arzt ihr mit der Krankschreibung verschaffte, war für sie eher Blamage als eine Erleichterung.“). Als sie kurz darauf unter ihrem Bett einen schmalen, eleganten Frauengürtel findet, der definitiv nicht ihr gehört, weckt das in ihr das zu Verlangen, etwas zu erleben, was ihr Mann sich offensichtlich auch erlaubt. Aber ob sie auf der Party von Emma fündig wird, die keine Freundin ist, sondern das Kindermädchen von Nadias Sohn?
Auch Emma würde gerade gerne etwas wagen – sie hat da diesen Professor, viel zu alt, aber doch auf jeden Fall einen Flirt wert. Für diesen Jean gilt es, das richtige Foto zu schießen:
„Sie kann eine halbe Stunde damit zubringen, Mund geöffnet, Mund geschlossen, Möse sichtbar, Möse verborgen, feuriger Blick in die Kamera oder Nahaufnahme ihrer Brüste, bis die Aufnahme genau die gewünschte erregende Erotik verströmt, eine schwierige Gratwanderung, die die elegante Verführerin von der Pornodarstellerin unterscheidet. – Dann zieht sie das Foto in die WhatsApp-Unterhaltung und jagt sich zum Spaß selbst Angst ein, indem sie ihren Finger über dem Senden-Pfeil schweben lässt.“
Ob Emma diese Bilder abschickt? Verrate ich hier nicht! Aber so viel: Die Frauen, denen wir in LIAISONS begegnen, brauchen keine Männer für ihren Nervenkitzel – den schenken sie sich sehr souverän selbst, mit einer gewissen Grandezza, die sich vielleicht auch zeigt, wenn Lauren zufrieden feststellt: „Die strahlende Unkompliziertheit ihrer Beziehung begeistert sie noch mehr, seit sie die Lösung für das Problem ihrer sexuellen Emanzipation ausgelagert hat.“
LIAISONS von Céline Robert ist ein charmantes Vermögen, und mehr muss man dazu nicht sagen – kann es aber natürlich …
Céline Robert hat einen schwungvollen, amüsanten und nicht nur aufgrund seiner Kürze leicht zu lesenden Roman geschrieben, in dem sich viele schlaue Gedanken finden, die aber so wohldosiert eingesetzt werden, dass der Gesamteindruck dieses nicht nur mit erotischer Aufladung kokettierenden Reigens ein eleganter ist.
Die Autorin schreibt über Begehren und Selbstermächtigung, über den Ausbruch aus dem Bekannten, das Kleine, das Männer wie Maxime kennzeichnet, und die Sollbruchstellen einer Frau wie Nadia; während ich diese Gedanken aufschreibe, merke ich, dass ich der Autorin die Jugendlichkeit von Emma ebenso glaube wie den erwachenden Jagdinstinkt von Lauren. Und dass sich Céline Robert im letzten Absatz noch einen Kunstgriff erlaubt, den ich „très charmant“ finde, habe ich nicht kommen sehe – und erfreue mich umso mehr daran.
Dass ist trotzdem nicht mehr juble liegt daran, dass ich der Gefühl habe, Céline Robert könnte uns ein noch deutlich besseres Buch vorenthalten haben – dafür spricht, dass man sich nach den wenigen Sätzen, mit denen sie zwei Nebenfiguren durch die Handlung fliegen lässt, sofort in sie verliebt hat:
In Selma, die Mutter von Nadias bester Freundin zu Schulzeiten, die ihrem Wagen amüsiert und mit halsbrecherischem Tempo durch Tunis jagt – und in M. Chef, der mit einer Art Karaoke-Taxi und Disco-Kugel durch das nächtliche Paris fährt. Ein größeres Personal, mehr Raum, in dem sich ihre Figuren entfalten können, und ich bin sicher, LIAISONS würde mich so begeistern wie vor vielen Jahren GLÜCKLICH DIE GLÜCKLICHEN von der bereits erwähnte Yasmina Reza.
Aber muss es immer der Superlativ sein? Ich werde LIAISONS als intelligentes, kurzweiliges Vergnügen in Erinnerung behalten – so wie ein Hauch Parfüm, der uns auf der Straße streift, uns an eine schöne Begegnung denken lässt. Der Roman von Céline Robert ist ein gutes Geschenk für uns selbst und für alle, denen wir ein paar anregende Lesestunden schenken wollen.
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Ich habe dieses Buch nicht gekauft, sondern als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Bei meiner Rezension handelt es sich trotzdem nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung: Sie gibt lediglich meine subjektive und unbeeinflusste Meinung wieder.
Céline Robert: LIAISONS. Aus dem Französischen von Alexandra Baisch. Eisele, 2025.


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