Meike Werkmeister schreibt so mitreißend, süffig und sympathisch, dass ich fast geneigt bin, keine Kritik zu üben

„Tränen liefen meine Wangen herunter ins Teichwasser, und ich ließ es zu. Runde für Runde schwamm ich, so langsam ich konnte, als einzige Zeugen die Enten, die auf die Schwimmreifen geklettert waren und dösten. Und irgendwann, als ich schon ganz ausgekühlt war, wiederholte ich: ‚Also gut.‘ Ich blinzelte zum Himmel, an dem es langsam heller wurde.“

Zoé Hanser, 30-jährige Zimmerpflanzen-Liebhaberin aus Hamburg, ergattert einen Traumjob bei einer renommierten Innenarchitektin in London, findet eine schöne Wohnung über einem schönen Café im schönen Stadtteil Hamstead und in kürzester Zeit neue Freundinnen und Freunde. Doch nicht nur der Spontanbesuch bei einer Wahrsagerin macht deutlich, dass nicht alles Gold ist, was in Zoés Leben glänzt: Ein dunkles Erlebnis dräut unheilvoll über ihr, die vorletzte Beziehung zum hinreißenden Filipe endete im Drama, die letzte so sehr im Desinteresse, dass sie genau genommen noch gar nicht beendet ist, und plötzlich scheint auch noch ihre Bürofreundin Yon ein Geheimnis zu hüten. Muss erwähnt werden, dass ausgerechnet jetzt Filipe in London auftaucht?

AM HIMMEL FUNKELT EIN NEUER TAG hat aus dem Stand den Sprung auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste geschafft, und dieser Erfolg ist der sympathischen Autorin sowohl zu gönnen als auch verdient: Meike Werkmeister erzählt auf den augenfreundlich gesetzten 491 Seiten (nebst angehängtem Pflanzenbrevier) mit viel Schwung eine zuckerwatteknisternde Geschichte, in die man sich wohlig seufzend fallen lassen kann. „Die perfekte Sommerlektüre“, hat belletristik-couch.de über einen der Vorgängerbände geschrieben; ich bin sicher, dass dieser Roman genau das ist für Menschen, die einfach einmal den Kopf ausschalten und sich unbeschwert unterhalten lassen wollen.

Mein Problem ist: Ich lasse mich zwar gerne unterhalten, verfüge aber leider nicht über das Talent, unbeschwert den Kopf auszuschalten (selbst dann nicht, wenn es eine gute Idee wäre).

Meike Werkmeister schreibt flüssig, schmissig, süffig, sie hat sich – gerade auch im Gegensatz zum New-Adult-Roman, den ich jüngst aus Gründen der Weiterbildung las – eine komplexe Geschichte überlegt, in der ihre Zielgruppe von mancher Wendung überrascht und begeistert sein wird … die in mir aber leider oft ein „Ach ja?“ und „Ja, nee“ auslöste.

Das liegt vor allem daran, dass es sich Meike Werkmeister meiner Meinung nach zu leicht macht mit ihren Figuren, die immer genau so reagieren, wie es die Geschichte braucht. So ist es zu Beginn wichtig, Zoé aufgrund einer traumatischen Erfahrung große Angst vor engen und noch dazu unterirdisch fahrenden Bahnen zu geben (nicht unbedingt die beste Einschränkung, wenn man in London arbeiten will), aber wenn sie im späteren Handlungsverlauf schnell von A nach B kommen muss, ist das kein Problem mehr. Ein sehr dominant auftretender reicher Mann wird zunächst als schwieriger Kunde vorgestellt, für den Luxus und Repräsentation alles ist … aber im nächsten Moment ist er mit einem kuscheligen Zuhause mit vielen Grünpflanzen einverstanden? Zoé lässt sich zweimal von ihrem über alle Maßen liebenswerten Vermieter erklären, dass er auf keinen Fall etwas an seiner Wohnsituation ändern möchte – und trotzdem baut sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion seine Wohnung um, weil es nun an der Zeit ist zu zeigen, dass sie die Gefühle anderer Menschen eher als Option ansieht und weniger als ernstzunehmende Größe (obwohl sie doch a) wahnsinnig empfindsam ist, aber eben auch b) eiskalt ihre große Liebe abserviert, weil sie … genau … so wahnsinnig empfindsam ist, dass sie keinen Gedanken an seine Gefühle verschwenden kann, um sich zu schützen).

Eine Geistergeschichte löst sich – etwas überkonstruiert – in Wohlgefallen auf, wobei magische Fähigkeiten durchaus real zu sein scheinen; zu „I will survive“ stürmen die schwulen Figuren auf die Tanzfläche, weil es möglicherweise wichtig ist, alte Klischees zu bedienen – wenn es allerdings um einen ausdrücklich Frauen vorbehaltenen Badeteich geht, in dem selbst ein kleiner Junge zum Problemgenital werden würde, muss dann trotzdem sehr modern darauf hingewiesen werden, dass dort „Frauen und alle, die sich als weiblich identifizieren“ willkommen sind; das ist löblich gedacht, ignoriert aber, dass es Frauen gibt, die (noch) einen Penis haben.

Der Erfolg gibt Meike Werkmeister und dem Verlag natürlich Recht, und wie gesagt: Wenn grumpy old me nach den ersten Stolpersteinen zunehmend kritisch weiterliest, obwohl eigentlich alles „Sunshine, Lollipops and Rainbows“ sein könnte, ist das vor allem mein Problem. Trotzdem würde ich der Autorin, deren großes Unterhaltungstalent unbestritten ist, entschlossenere SparringspartnerInnen oder ein kritischeres Lektorat wünschen … und mir von ihr ein Buch, in dem sie statt mit dem breiten Pinsel mit der feinen Feder arbeitet: Genre muss nicht „einfach“ sein, und diese Autorin kann so viel mehr, als sie hier zeigt (oder zeigen darf).

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Ich habe dieses Buch von einem Freund geschenkt bekommen; es handelt sich bei dieser Rezension also nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung, sondern sie gibt lediglich meine Meinung wieder.

Meike Werkmeister: AM HIMMEL FUNKELT EIN NEUER TAG. Goldmann Verlag, 2024.