In ihrem achten Bestseller spielt Meike Werkmeister wieder auf der Klaviatur der großen Gefühle – schlägt in ÜBER DEN WOLKEN WOHNEN DIE TRÄUME aber auch andere Töne an.
„Ich glaube, genau das ist das Geheimnis.“ Ich nehme ihre Hand und drücke sie fest. „Dass jeden Moment alles vorbei sein kann. Weil es uns bewusst macht, dass wir jeden Augenblick genießen sollten.“
Ich haue hier jetzt eine bemerkenswerte Lebensweisheit heraus, schnallt euch an, das habt ihr echt noch nicht gehört: „Auf Regen folgt Sonnenschein.“ So, jetzt ist es raus. Und ich toppe das gerne noch: „Wenn’s zu lange regnet, bekommst Du den Sonnenschein auch anderswo.“
Meike Werkmeister schreibt seit Jahren höchst erfolgreich das, was man vermutlich am einfachsten als Liebesromane beschreibt, wozu auch die glitzeraffine Covergestaltung und die kuschelweichen Titel beitragen:
Ihre Besteller heißen STERNE SIEHT MAN NUR IM DUNKELN oder ÜBER DEM MEER TANZT DAS LICHT – und jetzt aktuell ÜBER DEN WOLKEN WOHNEN DIE TRÄUME. Werkmeisters „Heldinnen“ sind in der Regel keine (oder wenn doch: wider Willen); sie haben wenig gemein mit den Singlefrauen auf der Suche nach Mr. Right des „Baukastensystems Bridget Jones“ oder der klar vorhersehbaren Formelhaftigkeit des Genres New Adult. Es liegt nah, sie als deutsche Jojo Moyes einzuordnen … wobei dieser Vergleich mich letztendlich als Leser von geringem Verstand outet, denn auch im Feld der breitenwirksamen Unterhaltung darf und muss es Solitäre geben.
In Meike Werkmeisters aktuellem Buch, das sofort nach dem Start auf Platz 2 der Taschenbuch-Bestsellerliste sprang, geht es um zwei Hauptfiguren, die auf der Suche sind, möglicherweise nach sich selbst – oder vielmehr, weil die Autorin zu schlau ist, um immer das donnernde Große anzustreben, nach einer Idee, was das sein könnte, das eigene Selbst.
Welche Träume wohnen bei Meike Werkmeister möglicherweise über den Wolken?
Da haben wir zum einen die 17-jährige Morlen, die keinen Bock mehr auf Schule und die Enge von Norderney hat, und darum nach Kalifornien fliegt, wo eine Freundin ihrer Mutter gerade vor einem ganz anderen Problem steht: Ihr dringend benötigtes Au-pair ist im letzten Moment abgesprungen, und Heather braucht Hilfe im Haushalt und mit ihrer jüngsten Tochter Hazel, die Diabetikerin ist, davon unbeeindruckt aber eine Karriere als jugendliches Golftalent anstrebt. „A match made in heaven“, möchte man denken – zunächst sieht es aber nicht danach aus:
Morlen ist lustlos bis bockig, Heather für sie viel zu laut und anstrengend. Ist es darum vielleicht vollkommen okay, wenn sie ihren Jetlag auskostet und das Haus von Heathers Familie eher als Pension versteht? Da gibt es nur ein Problem: Heathers ältesten Sohn Tom, der düster-dräuend klar macht, dass hier wirklich niemand auf Morlen gewartet hat. Das sieht der sexy Surferboy Charlie anders, der sofort deutliches Interesse an Morlen signalisiert …
Man muss keine Genre-Kenntnis haben, um sich denken zu können, wer letztendlich Morlens Herz erobern wird, und so ist auch alles andere, was in diesem Coming-of-Age-Teil des Romans passiert, von eher geringem Überraschungswert. Aber braucht man den? Ich habe zu meiner Überraschung nichts vermisst, sondern konnte mich in diese sonnige und Meerwind-durchbrauste Geschichte fallen lassen, die an diverse Teenie-Serien erinnert und mich trotz der Vorhersehbarkeit neugierig bei der Stange hielt.
Ein blaurosa Umschlag mit Glitzerschrift – ist der Inhalt genau so?
Angenehm überrascht hat mich der Handlungsstrang rund um Heather, die mit ihrem Schulzeit-Sweetheart Gary verheiratet ist, drei Kinder mit ihm hat (zum schwierigen Tom und der distanzierten Hazel gesellt sich noch Ellie, die gesamtpositive Stütze ihrer Mutter – zumindest auf den ersten Blick) und nun vor ihrem eigenen, etwas anders gelagerten „Coming of Age“ steht:
Will sie das noch, dieses Leben, in das sie hineingewachsen ist, ohne jemals Maß zu nehmen? Heather arbeitet sich auf zwischen ihrer Familie und ihrem Job, ist vielleicht auch zu chaotisch für die Vielzahl der Herausforderungen – und vor allem unglücklich, weil sie nicht weiß, ob Gary noch der Mann ist, den sie liebt. Zumal es da seit einiger Zeit Jackson MacKenzie gibt, einen sexy Surfer, der deutliches Interesse signalisiert (und der – um mal eine sehr feuilletontaugliche Einordnung zu wagen – so eine leicht angegerbte, unrasierte Vögelfantasie ist, dass er vermutlich nicht nur Alt, sondern auch Jung mit kicheriger Vorfreude erfüllt).
Während Meike Werkmeister in den Morlen-Kapiteln routiniert für Fluffy-Fun sorgt, hat sie mich mit Heather ein paar Mal überrascht: Sie schenkt ihrer Figur in ihrem Ringen um die richtige Entscheidung sowie den Ängsten, die damit verbunden sind, eine Wahrhaftigkeit, die meiner Meinung nach problemlos einen eigenen Roman getragen hätte, in dem die Kids als Nebendarstellende ausreichend gewesen wären. In ihrem vorangegangenen Bestseller AM HIMMEL FUNKELT EIN NEUER TAG hat sich die Autorin meiner Meinung nach noch etwas verheddert in den Ideen, mit denen sie ihren Roman über die Genregrenzen hinaus attraktiver gestalten wollte; davon ist diesmal angesichts der souveränen Figurenführung und Gesamtdramaturgie nichts mehr zu spüren. Und so komme ich nicht umhin, mir die Frage zu stellen:
Können wir hier gerade einer Erfolgsautorin dabei zusehen, wie sie sich von ihrem bisherigen Markenkern emanzipiert? (Einmal mehr bin ich nach der Lektüre überzeugt, dass Autor*innen, die sich hervorragend auf Unterhaltung verstehen, deutlich leichter in die Literatur wechseln können als diejenigen, die versuchen, neben der tiefschürfenden Auseinandersetzung mit Themen des Lebens auch noch Schmackes, Sonnenschein und perlende Herzenswärme in ihre Geschichten zu bringen.)
Wo viel Licht ist, sei auch Schatten erlaubt …
Nun wäre ich nicht ich ohne ein paar kritische Gedanken: Vielleicht wird Heathers „American Way of Life“, wenn es beispielsweise darum geht, Fertigprodukte zu verwenden, etwas zu plakativ dargestellt; vielleicht hätte dem Jugendstrang ein bisschen mehr Überraschung doch gutgetan; und warum man in der Redaktion ein Wort wie „Kokolores“ hat stehen lassen und möglicherweise nicht weiß, was Krokodilstränen bedeuten, gibt mir ein ebenso großes Fragezeichen auf wie die Unsicherheit, ob der illustrierte Anhang mit rosigroter Schmuckfarbe eine bestimmte Zielgruppe so anspricht, dass es egal ist, dass er eine andere möglicherweise eher abschreckt. Und gleichzeitig bin ich nach dem Lesen des Schmökers doch zu zuckerwattig gestimmt, um zu rätseln, welche Bedeutung die Titelformulierung über den Reihencharakter hinaus haben könnte.
Mit seinen 653 Seiten ist ÜBER DEN WOLKEN WOHNEN DIE TRÄUME vielleicht ein bisschen zu lang für einen sommerlichen Beach-Read, aber eins steht fest: Wer Lust hat, für ein paar Stunden oder Nachmittage in eine Geschichte abzutauchen, die gut unterhält und auch an den Regentagen des Lebens das baldige Aufziehen von Sonnenschein ahnen lässt, der auf … jetzt kommt’s! … Schönwetterwölkchen tanzt, dem sei dieser Roman ans Leserherz gelegt, wie auch der Rest des Werkmeister’schen Œuvres.
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Ich habe dieses Buch selbst im niedergelassenen und unabhängigen Buchhandel gekauft. Für die totale Transparenz: Die Autorin und ich kennen uns, und sie war noch dazu zweimal in meinen Buchpodcast RABABUMM zu Gast. Bei meiner Rezension handelt es sich nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung: Sie gibt lediglich meine subjektive und unbeeinflusste Meinung wieder.
Meike Werkmeister: ÜBER DEN WOLKEN WOHNEN DIE TRÄUME. Goldmann, 2025.
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