Es muss nicht immer Frontlist sein: Ich möchte euch diese sechs Romane ans Herz legen, weil ich sicher bin, dass sie euch viel Vergnügen bereiten werden, ganz egal, ob’s regnet oder die Sonne brennt.
SOMMERZEIT IST LESEZEIT. Es gibt vermutlich keinen ausgelutschteren Werbeslogan … aber, Fun Fact: Ich habe ihn oft genug selbst zum Einsatz gebracht in all den Jahren in den verschiedenen Verlagen. Und finde, ich kann den jetzt noch mal raushauen, so indirekt. SECHS FÜR DEN SOMMER klingt doch eigentlich gut, oder?
Und dem Motto folgend möchte ich euch ein paar Backlisttitel vorstellen, von denen ich denke, dass sie euch Vergnügen bereiten könnten im Urlaub nah und fern, auf Balkonien, im Park, am See, anderswo. Und in einer um Mitternacht noch auf 29 Grad hochgeheizten Wohnung natürlich auch. Oder wenn es dauerregnet.

Los geht es mit einem Autor, den die meisten durch seinen internationalen Bestseller EIN GENTLEMAN IN MOSKAU kennen. Und zugegeben: EINE FRAGE DER HÖFLICHKEIT beginnt im Winter, ist aber trotzdem ein Sommer-Lesetraum. Amor Towles erzählt von Kate, die 1966 in New York ihre Träume verwirklicht hat. Doch nun steht sie in dieser Galerie, als Frau, die Karriere gemacht hat, glücklich verheiratet ist. Und vor ihr auf einem Foto? Ein Mann, der im Leben kein Glück hatte, und mit dem vor langer Zeit nicht alles, aber vieles anfing. Auf einmal sind die Erinnerungen wieder da an Kates Freundin Eve, an die 1930/40er, an den steinigen Weg nach oben. Und an eine Liebe, die … aber nein: DAS LEST IHR BESSER SELBST. (Übersetzt von Susanne Höbel.)

Ein Geheimtipp? Wohl kaum. Aber dafür ist MALIBU RISING von Taylor Jenkins Reid ein sonnendurchflutetes Vergnügen für den Urlaub, den Balkon, und wenn ihr es zwischen verschwitzten Menschen in der S-Bahn lest, macht das nichts, denn: Ihr werdet alles um euch herum vergessen. Der Roman erzählt von vier Geschwistern, eine legendäre Party, eine Familie, die eng miteinander verbunden ist, sich aber nicht die Wahrheit sagen kann – und strotzt nur so vor Geheimnissen, bittersüßen Erinnerungen und Geständnissen. Literaturpreisverdächtig? Nö. Suchtgefährdend? ABER SOWAS VON! (Übersetzt von Babette Schröder.)

Sie flirtet, sie begehrt … aber sie geht natürlich nicht zu weit. Oder doch? VLADIMIR erzählt von einer intelligenten, vielleicht etwas kühlen Literaturprofessorin, deren Leben ansonsten so wohltemperiert ist, dass sie sich inzwischen selbst darin langweilt – bis sie in die Obsession für einen 20 Jahre jüngeren Kollegen ihres Mannes schliddert. Wie Julia May Jonas die Themen Alter, Ehe, Treue, Verbundenheit und eine Prise Wahnsinn miteinander verwebt, ist meisterhaft. Schlaue Unterhaltung, die perfekt zu einem Glas Weißwein passt, aber auch einer süßsauren Rhabarberschorle. Liebe ich sehr! (Übersetzt von Eva Bonné.)

Angeblich kann der Flügelschlag eines Schmetterlings am anderen Ende der Welt einen Hurrikan auslösen – und etwas Ähnliches passiert hier, denn der erste Satz lautet: „DIE TAUFE nahm eine unvermutete Wendung, als Albert Cousins mit einer Flasche Gin auftauchte.“ Was folgt? Ein heimlicher Kuss, ein folgenschwerer Unfall und das aus verschiedenen Perspektiven erzählte Schicksal zweier Familien. Ann Patchetts Montagetechnik ist beeindruckend, und sie schreibt sensibel und clever über das, was Schuld, Hoffnung, Trauer, Wut, Gleichgültigkeit bedeutet – und natürlich: Liebe. (Übersetzt von Ulrike Thiesmeyer.)

Ich neige nicht zum „fluffy summer read“, zur Geschichte, bei der man merken darf, dass die Autorin emotionale Knöpfe etwas zu routiniert drückt. Ich bin nicht sicher, warum ich IM FREIBAD (heute als SCHWIMMEN MIT ROSEMARY im Programm) damals lesen wollte – aber ich weiß, warum ich mich noch daran erinnere: Weil Libby Page mit so viel Wärme über zwei ungleiche Freundinnen im London der Gegenwart und Vergangenheit schreibt, weil wir uns in jedem Kapitel wünschen, dass am Ende das Gute siegt, und weil es natürlich ein größeres Vergnügen sein kann, wenn wir stattdessen ein Taschentuch brauchen. Ganz viel HACH! (Übersetzt von Silke Jellinghaus.)

Heiß, drückend, wie ein Fiebertraum: So kann Sommer sein, und diese Stimmung findet sich in einem autofiktionalen Roman, den man einmal gelesen nie wieder vergessen wird. Arno Frank erzählt in SO, UND JETZT KOMMST DU über seine Kindheit als Sohn eines Trickbetrügers auf der Flucht. Klingt nach harter Kost? Ist es. Aber auch die Abenteuer- und Coming-of-Age-Geschichte, die man braucht, wenn man einen schönen Schattenplatz gefunden hat. Plus: Die beste Kennenlernszene EVER, wenn die Eltern sich zum ersten Mal begegnen. (Bonustipp: Danach Arno Frank hinreißenden Episodenroman SEEMANN VOM SIEBENER lesen!)
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Mit Ausnahme von IM FREIBAD, das ich 2019 von einer Freundin beim Verlag geschenkt bekam, habe ich diese Bücher alle selbst im niedergelassenen und unabhängigen Buchhandel gekauft. Bei meiner Rezension handelt es sich nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung: Sie gibt lediglich meine subjektive und unbeeinflusste Meinung wieder.
Amor Towles: EINE FRAGE DER HÖFLICHKEIT. Aus dem Amerikanischen von Susanne Höbel. Ullstein, 2011. Aktuelle Ausgabe: dtv.
Taylor Jenkins Reid: MALIBU RISING. Aus dem Amerikanischen von Babette Schröder. Ullstein, 2023.
Julia May Jonas: VLADIMIR. Auf dem Amerikanischen von Eva Bonné. Karl Blessing Verlag, 2022. Aktuelle Ausgabe: Heyne Taschenbuch.
Ann Patchett: DIE TAUFE. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Thiesmeyer. Berlin Verlag, 2017. Aktuelle Ausgabe: Piper Taschenbuch.
Libby Page: IM FREIBAD. Aus dem Englischen von Silke Jellinghaus. Ullstein, 2019.
Arno Frank: SO, UND JETZT KOMMST DU. Tropen, 2017. Aktuelle Ausgabe: Rowohlt Taschenbuch.
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