Der New Yorker empfindet DIE FERIEN als „unfassbar komisch“ – aber vielleicht darf man trotzdem nicht warm werden mit dem Roman von Weike Wang?

„Die Zeit, die Keru mit ihren Eltern blieb, war endlich, und diese noch verbliebene Zeit war zerteilt, auf kurze Schübe konzentriert. Sie wünschte sich sehr, dass diese Schübe mit glücklichen Erinnerungen gefüllt sein mochten, doch es wollte ihnen einfach nicht gelingen. Vermutlich, weil keiner von ihnen ernsthaft ans Glück glaubte. Sie glaubten ans Unglück, denn das hatten sie gemeinsam durchlebt. Miteinander unglücklich zu sein, war ihnen ein Trost.“

Wenn man ein richtiges Buch zum falschen Zeitpunkt liest, weiß man es manchmal leider nicht zu schätzen. Weike Wangs Roman DIE FERIEN war ein Sandwich-Buch für mich, gelesen zwischen dem kurzweiligen Vergnügen, das mir Monika Kims DIE AUGEN SIND DAS BESTE bereitet hat, und in der Vorahnung der Begeisterung, die ich dann tatsächlich schon nach den ersten Seiten für DIE ACHT LEBEN DER FRAU MOOK von Mirinae Lee empfand.

Und jetzt, ein paar Monate nach der Lektüre? Kann ich die Begeisterung, die der von Andrea O’Brien fließend übersetzte Text bei anderen Lesenden ausgelöst hat, immer noch nicht nachempfinden … komme aber, während ich für das Schreiben dieser Rezension die Textstellen ansehe, die ich mir markiert habe, und mich in den Seiten davor und danach wieder festlese, zu einem positiveren Gesamteindruck.

DIE FERIEN ist ein Buch über Alltagsrassismus und die damit verbundenen kleinen und großen Aggressionen: Weike Wang schreibt über kulturelle Identität, die Absurditäten, die damit einhergehen können – und den Unterschied zwischen Menschen, die nie irgendwo ankommen mussten, weil sie immer schon da waren, und jenen, die dieses Privileg nicht hatten. Auf schlanken 204 Seiten streift Weike Wang ohne Getöse viele große Themen; nicht zuletzt geht es dabei sowohl um die enge Verbundenheit in Familien als auch die Fremdheit zwischen Eltern und Kindern, Geschwistern und Verschwägerten.

Die Geschichte ist toll, und man darf sie sogar als wichtig und relevant einordnen.

Wenn ich das jetzt so schreibe, merke ich: Das gefällt mir! Noch dazu schlägt mein Herz für die weibliche Hauptfigur: „Keru hatte sich vorgenommen, Geld zu verdienen, und genau das auch getan, doch sie hatte zunehmend den Eindruck, dass Nate sie wegen dieses Geldes verachtete, obwohl ebenjenes Geld sowohl sie als auch seine Mutter unterstützte. Geld war ihr Schutzschild, die Einheit, in der sie ihren Wert berechnete, und weil sie nicht willens war, keines mehr zu verdienen, wägte Keru ab, wie viel Verachtung sie ertragen konnte.“

Weike Wang zeigt an ihr, dass Rassismus ein Gift ist, das überall zu finden ist, nicht nur zwischen Menschen, deren Wurzeln in ganz unterschiedlichen Ländern liegen; so wird Keru von ihrer ersten großen Liebe abserviert, weil dessen Mutter ihm klar macht, dass er als taiwanesischer Amerikaner keine Zukunft haben kann mit einer Festland-chinesischen Amerikanerin. Wir verstehen, warum Keru so hart arbeitet, in sich gefangen ist, aber auch dieses Aggressionspotential hat, das sie leider viel zu selten auslebt (weswegen es höchst befriedigend ist, wenn sie nach einem Stein greift oder einer Axt – und ein Handy nur deswegen nicht gegen eine Küchenarbeitsplatte drischt, weil es zu unangenehm wäre, das später im Apple-Store zu erklären).

Warum sie mit Nate zusammengekommen ist? Das muss ich nicht verstehen; vielleicht liegt es wirklich daran, dass sie schon bei der ersten Begegnung weiß, dass sie ihn niederschlagen kann, wenn er sich als Freak mit Asiatinnen-Fetisch herausstellen sollte.

Es gibt Szenen und Gedanken in DIE FERIEN, die mich begeistern, beispielsweise, wenn Keru und Nate darüber streiten, warum manche Menschen Immigranten sind und andere Expats, so wie die Studienfreunde von Nate, die „nach Asien ausgewandert waren, um dort Kindern Englisch beizubringen, während sie selbst kein Wort der Landessprache verstanden. Nate beharrte darauf, seine Freunde seien keine Immigranten […]. Expats verließen reiche Länder, um sich in Demut vor dem Altar der Welt zu verbeugen, Immigranten flohen aus ärmeren Ländern, um sich für die Reichen zu verdingen.“

Was für die einen Humor ist, ist für andere … etwas anderes.

Und natürlich lässt uns DIE FERIEN schmunzeln, wenn Kerus Vater – der nicht im Verdacht steht, jemals etwas in der Küche tun zu wollen –, überzeugt ist, eine Spülmaschine wäre der Beweis dafür, die Kontrolle über sein Leben verloren zu haben. Die meiste Zeit habe ich das, was von anderen Lesenden vermutlich als Humor geschätzt wird, aber als beißende Satire empfunden, und zwar „beißend“ im Sinne von „schmerzhaft“; als sorgsam kuratierte Sammlung von Cringe-Momenten … und als Ergebnis einer schlauen Versuchsanordnung.

Denn genau so empfinde ich DIE FERIEN beim ersten als auch beim zweiten Anlauf: Als zielbewusste Fiktionalisierung eines Diskurses, in der Weike Wang zwar auch mit Graustufen jongliert, mich Leser von geringem Verstand aber trotz barrierefreier Darreichung auf Abstand hält.

In gewisser Weise ähnelt der Roman für mich „Rubins Vase“, jenes Illusionsbild, das auch eine Rolle in der Geschichte spielt – auf dem sieht man entweder die Silhouetten zweier sich zugewandten Gesichter oder eine Vase. DIE FERIEN ist ein sehr gelungenes Buch über eine Beziehung, die mehr umfasst als zwei Menschen … oder ein Gefäß, das man so füllen kann, wie man es will.

***

Ich habe dieses Buch nicht gekauft, sondern als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Bei meiner Rezension handelt es sich trotzdem nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung: Sie gibt lediglich meine subjektive und unbeeinflusste Meinung wieder.

Weike Wang: DIE FERIEN. Aus dem Amerikanischen von Andrea O’Brien. Kjona, 2025.