Drei Fragen an Martina Bergmann, die soeben ihren Roman DAS FRÄULEIN BUCHHÄNDLERIN veröffentlicht hat – und drei Antworten von einer schlauen Frau, die zum Glück oft das sagt, was man nicht hören will.
Und auf einmal war sie da, und dann haben wir ein paar Monate zusammengearbeitet, und dann zog es sie weiter. Rückwirkend gesehen glaube ich, dass Martina Bergmann nach ihrer Ausbildung bei Rowohlt und dem Studium hier, da und dort noch auf der Suche war nach dem, was sie wirklich will. Und das fand sich dann auch: Seit 2010 hat sie ihre eigene Buchhandlung, erst in Borgholzhausen, inzwischen in Rietberg, verlegt im eigenen Verlag und schreibt als Autorin für andere. 2019 veröffentlichte Martina im Eisele-Verlag ihr Debüt MEIN LEBEN MIT MARTHA, in dem sie autofiktional von der Freundschaft zu einer Dame erzählt, die sie mehr oder weniger erbt – und bei sich aufnimmt, als diese beginnt, in die Demenz abzugleiten.
Nun ist ihr zweites Buch erschienen, ein Roman mit dem schönen Titel DAS FRÄULEIN BUCHHÄNDLERIN, der 1965 spielt … und dass es an einer Stelle die Frage gibt, ob im Jahr 2000 eine Frau in Borgholzhausen wohl eine Buchhandlung führen kann, ohne dass es Geschrei gibt, ist natürlich ein schönes Detail.
Zwischen all dem, was Frau Bergmann so macht und tut und durchdenkt und schreibt, bleibt ihr wenig Zeit – umso mehr freue ich mich, dass sie nun doch welche übrig hat, um mir ein Kurzinterview zu geben.
Liebe Martina, Dein Roman DAS FRÄULEIN BUCHHÄNDLERIN erzählt von einer Frau, die 1965 eine Buchhandlung aufmachen möchte – was in der damaligen Zeit nicht so einfach war. Du hast 2010 das Gleiche getan. Fünfzehn Jahre später: Ist es leichter geworden?
Martina Bergmann: „Zwischen 2010 und 2025 hat sich einiges getan. Als ich anfing, war das gefühlt tatsächlich noch 1965. Es gab bei der Sparkasse keine einzige Firmenkundenbetreuerin, und ich habe fünf Steuerberater verschlissen, bis mich einer als Unternehmerin ernst genommen hat. Das Frauenbild in der Provinz geht ungefähr so: ‚Ein Lädchen! Das ihr ein reicher Mann bezahlt! So lange, bis er ihr das erste Baby macht oder ihm das Hobby von der einfach zu teuer wird.‘ Ich hatte aber zügig ein paar Erfolge, habe Preise gewonnen und mich für die Interessen der anderen Einzelhändler stark gemacht. Damit habe ich den Respekt der Jungs erworben. In der Provinz geht nichts ohne Jungs, und für mich ist das okay. Ich weiß aber, dass jüngere Frauen und sogar einige Männer aus der Generation sich darüber aufregen, wie altmodisch wir sind. Denen bin ich in meiner relativen Gelassenheit nicht feministisch genug.“
Du hast für den Roman eine ganz eigene Tonart gefunden: Er ist eher ungebürstet, sehr lokal gefärbt, und man hat beim Lesen wirklich das Gefühl, die gesellschaftliche Enge der damaligen Zeit zu spüren. Ist Dir das zugeflogen, oder war es harte Arbeit, so zu schreiben?
Martina Bergmann: „Ich habe lange überlegt, wie ich von der Provinz und einer Zeit erzählen soll, die nun mal in sich eng war und ist. Ich wollte das einfangen, ohne die Menschen zu Witzfiguren, zu Karikaturen werden zu lassen. Deswegen habe ich ihnen, frei nach Martin Luther, auf den Mund geschaut. Ich habe sie reden lassen, auch viele alte Dokumente gelesen, und irgendwann wusste ich, wie es klingen muss. Keine Anglizismen zum Beispiel, auch keine Jugendsprache der 1960er, denn weder Horst noch Gisbert sind Halbstarke.
Die Tonart des Romans ist für mich Zeitkolorit, noch vor der Handlung. Die starken Frauen sind darüber hinaus interessant, weil sie mit den ungeschriebenen Gesetzen brechen, die in der Provinz oft bis heute gelten. Tatsächlich war ich etwas aufgeregt, als ich meinen älteren Kundinnen das erste Mal aus dem Manuskript vorgelesen habe. Ich habe mich riesig gefreut, als sie sagten: Mensch, ja. So war das damals!“
Gisbert, der zumeist abwesende Freund Deiner Hauptfigur Amanda, ist ein ziemlicher Lappen. Wäre es Dir zu kitschig gewesen, ihr für den Kampf mit allen und jedem jemanden an die Seite zu stellen, der etwas mehr Traumtyp-Glanz versprüht?
Martina Bergmann: „Er ist für ihre Lebenssituation der absolute Traumtyp. Amanda braucht keinen, der glänzt. Sie braucht einen, mit dem sie etwas verbindet, an den sie sich wenden kann. Sie braucht den nicht aus Statusgründen.
Ich finde auch nicht, dass Gisbert ein Lappen ist. Lappen sind absolut unerotisch, während es zwischen den beiden knistert. Aber es knistert, wie sich das für die Zeit gehört, eher in Andeutungen – gegenüber den anderen Figuren als auch auf der Erzählebene. Gisbert lässt Amanda arbeiten, und deswegen ist er für mich der moderne Mann zwischen lauter Kerlen aus der Mottenkiste. Und achte mal darauf: Horst Brüsemeier hat mit ihm kein Problem. Er fängt erst an zu gockeln, als ein Mann auftaucht, der ihm ähnlich ist: Jürgen Lindheim. Wie es mit Amanda und Gisbert dann weitergeht, ist ein anderes Thema. Das werden sie mir bei Gelegenheit noch erzählen.“
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Ich habe dieses Interview aus Neugier – und sicher auch alter Freundschaft zur Autorin – geführt; das Buch habe ich als Rezensionsexemplar vom Eisele-Verlag erhalten. Es handelt sich beim Interview trotzdem nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung.
Martina Bergmann: DAS FRÄULEIN BUCHHÄNDLERIN. Eisele, 2025.


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