Mit KARAT hat die Schweitzer Autorin Karin Rey ein mitreißendes Debüt veröffentlicht – ein Buch, dass die Leserinnen von Mariana Leky und Kathrin Weßling ansprechen wird.
Die eine ist auf der Suche nach einem Vater für ihr Kind, der es aber bitte nicht gezeugt haben sollte, die andere steht vor der Frage, ob sie wirklich bereit ist, „Ja“ zu dem Mann zu sagen, mit dem sie ein perfekt organisiertes Leben führt – und das führt dazu, dass Etna und Svenja, die wenig gemeinsam haben, auf einmal im selben Auto sitzen. Und durchaus auch im gleichen Boot.
KARAT von Karin Rey ist ein ebenso schwung-, weil humorvoller wie schlauer Roman – ein bisschen verschrullt, erstaunlich informativ, mit vielen Momenten, die sich auch in einem Wes-Andersen-Film gut machen würden – und mit einem Ende, bei dem ich dachte: Ja, wow, das muss man sich so auch erst einmal trauen. Weswegen ich mich getraut habe, die Autorin um ein Interview zu bitten. Wir gehen rein!
Liebe Karin, was hat Dich zu Deinem Roman KARAT inspiriert?
Karin Rey: „Zuerst einmal habe ich gelesen! Ich führe hier zwei von vielen Büchern an: ‚Per Anhalter durch die Galaxis‘ von Douglas Adams und ‚Fang den Hasen‘ von Lana Bastašić. Von Bastašić hätte ich am liebsten die Sprache, von Adams die Einfälle genommen und zu einem Buch verschmolzen – dass so ein Vorhaben Unsinn ist, wusste ich natürlich. Aber es war schön, sich beim Schreiben in anderen Büchern aufgehoben zu fühlen.
Mir ist schnell klar geworden, dass ich die Fragen, die mich interessieren, nah am Geschehen verhandeln will: wenige Figuren, kurzer Zeitraum, voller Fokus. Da drängte sich eine Autoreise auf. Am Anfang hatte ich Widerstand, dass Etna und Svenja motorisiert unterwegs sind, ich selbst fahre lieber Zug. Erst gegen Ende des Schreibprozesses habe ich mir dann das Quartierauto ausgeliehen, um die Autobahn abzufahren, die ich bis dato nur digital kannte. Diese Fahrt hat dem Text gutgetan, einige Bilder (z.B. die Sicherheitsnetze) sind als Folge davon in den Text gerutscht.“
Neben Deinen beiden Protagonistinnen und ihrem Aufbegehren gegen ein Leben voller Konjunktive handelt KARAT auch davon, wie Gold gewonnen wird. Was hat Dich daran gereizt?
Karin Rey: „Der Satz ‚es ist halt kompliziert‘ hat mich lange begleitet. Fangen wir so an: Das Wahlsystem in den USA ist auch kompliziert und hat nichts mit unserem eigenen zu tun. Wir verstehen es trotzdem, weil wir uns dafür interessieren, weil die Medien darüber berichten, weil wir uns damit verbunden fühlen. Nun können wir alle unsere eigene innere Weltkarte abtasten: Für welche Weltregionen interessieren wir uns? Worüber informieren wir uns? Mit wem fühlen wir uns verbunden?
Gold tragen wir auf der Haut, wir schenken es uns als Zeichen der Liebe. Andere Rohstoffe wie Kobalt sind viel abstrakter. Aber Gold finden wir schön, wir reichen es von Generation zu Generation weiter. Anhand seiner globalen Lieferkette lässt sich gut zeigen, wie stark Systeme von Ausbeutung und Rassismus verankert sind. Aktuell ist der Goldpreis auf Rekordhoch. Was bedeutet das für die Menschen, die ganz am Anfang des Goldgewinnes stehen? KARAT gibt nicht auf alle Fragen, die meine Figuren haben, eine Antwort, aber der Roman macht sich dafür stark, dass wir solche unbequemen Fragen kollektiv und laut stellen.“
KARAT ist Dein Romandebüt. Wie hat sich der Schreibprozess für Dich gestaltet?
Karin Rey: „Generell bin ich froh, dass ich beim Schreiben regelmäßigen Austausch mit anderen Schreiber:innen hatte. Das hilft, die richtigen Fragen an den Text zu stellen. Ich selbst bin gut darin, kontinuierlich zu schreiben, aber schlecht im Pläne schmieden. Vor vier Jahren wollte ich einen sauber geplanten Roman schreiben, und Folgendes ist passiert: Ich habe ein wunderbares Exposé verfasst, auf mehreren Seiten die Personen skizziert, mit eine Grundproblematik mit Irrungen und Wirrungen ausgedacht und anschließen aufgelöst, wie am Schluss alles wieder zusammenkommt. Danach hatte ich keine Lust mehr, den Roman zu schreiben. Ich hatte das Rätsel schon gelöst.
Meine Hauptfigur Etna sagt an einer Stelle, ein gutes Buch müsse immer mit einer Überraschung enden. Ich fand es eine witzige Idee, das Buch genau so enden zu lassen, also mit den Worten ‚mit einer Überraschung‘. Aber ganz ehrlich: Es war ein Kampf, bis dorthin zu gelangen. Ich habe für die letzten Kapitel fast so lang gebraucht wie für den Rest des Textes. Ich wollte zum Schluss des Buches aufzeigen, wie klein man sich fühlt, wenn man sich, wie Etna, gegen die Ungerechtigkeit globaler Systeme stellt – und gleichzeitig zeigen, dass es diesen inneren Kompass gibt, der uns leitet.“
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Ich habe dieses Buch nicht gekauft, sondern als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Bei meinem Interview, wie zuvor auch bei meiner Rezension, handelt es sich trotzdem nicht um eine beauftragte oder bezahlte Werbung: Beides gibt lediglich ein persönliches Interesse und meine subjektive und unbeeinflusste Meinung wieder.
Karin Rey: KARAT. Atlantis Verlag, 2025.


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